Opernhaus Zürich (Foto: Hartmann)

Das neue Zürcher "Rheingold" kann nicht als großer Wurf bezeichnet werden. Dies liegt zum einen an der Regie, zum zweiten an einer indiskutablen Orchesterleitung und einigen Sängerbesetzungen, die keineswegs dem Niveau des Hauses entsprechen.

Regisseur Robert WILSON, wie üblich sein eigener Bühnenbildner und zusammen mit Andreas FUCHS auch für die Lichtgestaltung verantwortlich, ist nicht über seine bekannten stilisierten Gesten hinausgekommen. Wie dies schon mehrfach bei ihm gesehen wurde, erhält jede Figur ihre eigenen stilisierten Handbewegungen und genau abgezirkelten Gänge, die in den meisten Fällen dem Bewegungsrepertoire eines Tai-chi-kundigen Verkehrspolizisten ähneln. Das mag für eine halbe Stunde ganz spannend sein, trägt aber wenig zum Verständnis des Stücks bei und fällt mit Verlauf des Abends auf die Nerven.

Insbesondere die völlige Beziehungslosigkeit der einzelnen Figuren zueinander funktioniert in einem Stück nicht, in dem es ja eigentlich eine Vielzahl von nicht unkomplizierten Beziehungen gibt. Positiv ist festzustellen, daß die Verwandlungen Alberichs wirklich gut gelöst waren (auch wenn Alberich offenbar den Unterschied zwischen einer Kröte und einem Frosch nicht zu kennen scheint) und die Lichteffekte stimmungsvoll waren.

Die Kostüme (Frida PARMEGGIANI) waren im futuristischen Stil gehalten, die meisten Sänger hatten unkleidsame Perücken zu tragen, was in einigen Fällen (Alberich) zu höchst unästhetischen Anblicken führte.

Über Franz WELSER-MÖST am Pult des ORCHESTERS DER OPER ZÜRICH habe ich eine Menge Lobeshymnen gelesen und kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, womit er diese verdient haben könnte. Was da verwaschen aus dem Graben waberte, fehlte jegliche Prägnanz; Welser-Möst zerdehnte das Stück ins Unerträgliche, und Rücksichtnahme auf die Sänger schien ein Fremdwort für ihn zu sein. Auch das Orchester wirkte, wie sich durch diverse Verspieler vermuten ließ, durch diese Leitung unkonzentriert.

Auf der Negativseite bei den Sängern befand sich vor allem Rolf HAUNSTEIN (Alberich), der mit verbrauchter Stimme, uninteressanter Phrasierung sowie dem Fehlen auch nur einer Spur von Bedrohlichkeit in Erscheinung und Stimme den Fluch ohne jede Wirkung verpuffen ließ.

Aber auch die Riesen waren mit Andreas MACCO (Fasolt) und Pavel DUNILUK (Fafner) nur schwach besetzt, denn beide kämpfen mit der richtigen Intonation. Miroslav CHRISTOFF (Froh) kann nur als klassischer Krähtenor bezeichnet werden.

Besser, aber nicht ohne Fehl und Tadel war es um Jukka RASILAINEN (Wotan) bestellt. Zwar hatte man zu Beginn des Abends das Gefühl, der Sänger würde den Abend niemals durchstehen, doch in der Szene in Nibelheim konnte er sich deutlich steigern. Etwas mehr Autorität und vielleicht noch eine mehr balsamische Stimmführung würden der Rolle jedoch gut anstehen.

Margaret CHALKER war eine tadellose, aber etwas anonyme Freia, Ursula FERRI eine überzeugende Erda, die jedoch noch etwas mehr Volumen vertragen könnte. Die Rheintöchter (Elizabeth MAGNUSON, Giedrè POVILAITYTÉ und Irène FRIEDLI) klangen munter und homogen, obwohl erstere als indisponiert angekündigt war.

Uneingeschränkt glücklich konnte man mit Cheyne DAVIDSON als Donner werden, der sonoren Baritongesang hören ließ. Volker VOGEL war ein prägnanter Mime, der seinen kurzen Auftritt zu einer eindringlichen Studie über die gequälte Kreatur nutzte.

Cornelia KALLISCH als Fricka war so weit, wie dies möglich ist, vom Klischee des zänkischen, keifenden Weibes entfernt. Mit der fast belcantohaftem warmen Mezzo-Stimme konnte sie trotzdem ihren Herrschaftsanspruch deutlich machen und ihrem Gemahl in jeder Szene Paroli bieten.

Letzteren drei Sängern, aber insbesondere dem Loge Francesco ARAIZAs war es zu verdanken, daß die Vorstellung letztlich dann doch eher zur Positivseite gehört. Ich habe diesem Sänger in den letzten Jahren sehr kritisch gegenüber gestanden, aber mit dem Loge hat er sich nicht nur eine Wunschpartie erfüllt, sondern auch dem Publikum einen großen Gefallen getan. So gut hat er seit seinen Belcanto-Zeiten nicht mehr geklungen. Als hätte es niemals stimmliche Schwierigkeiten gegeben, singt er die Partie mit italienisch geschulter Stimme und einer vorbildlichen Wortdeutlichkeit.

Den Charakter des listigen Feuergottes trifft er genau, fügt ihm noch eine neue Dimension an versteckter Sensibilität hinzu. Seine besondere Beziehung zum Tarnhelm (hier ein Tuch) gemahnt allerdings ein wenig an Linus und seine Schmusedecke, besonders wenn sein "Wie? Auch den Helm?" klingt, als habe man ihm befohlen, den Riesen auch den geliebten Teddy zu überantworten. Und wenn er am Schluß seine kritische Haltung zu den anderen Göttern reflektiert und überlegt, einfach alles in Flammen aufgehen zu lassen, dann ist schon allein dieses Stück eine Meisterleistung an Phrasierung und den Besuch wert. MK