Mit
dieser so selten gespielten Erstkomposition von Georges Bizet zeigte das
Theater an der Wien durch seine Regisseurin Lotte DE BEER eine momentan
befremdliche, später aber - nach einigem Nachdenken - verständliche und
librettogerechte (Michel Carré und Eugène Cormon) Inszenierung auf. Schon
beim Eintritt in den Zuschauerraum wurde man in das Leben der Perlenfischer
Ceylons, auf der Bühne durch Statisten dargetellt, entführt, denen bei
Beginn der Oper durch ein Fernsehteam ihre Hütten abgekauft und niedergerissen
wurden, um dem Fernsehpublikum (dem Chor in verschiedenen häuslichen Szenen
im Hintergrund der Bühne) das Handlungsgeschehen im Wege eines Livedrehs
mit Sängerschauspieler nahe zu bringen. Diese Inszenierungs-Idee der Regisseurin
Lotte de Beer stellt nicht nur eine Herausforderung an die Darsteller
dar, sondern auch an das Publikum, das sich erst nach der Pause mit diesem
Gedanken auseinanderzusetzen vermag, vor allen Dingen lenkte das sog.
"Familienleben" der Chorprotagonisten im Hintergrund sehr von der Musik
ab, die ja letztendlich das Wichtigste an einer gerade so selten gespielten
Oper für das Publikum ist.
Das
Bühnenbild (Marouscha LEVY) und Kostüme (Jorine VAN BEEK) allerdings waren
durchdacht und ansprechend, ersteres entführte das Publikum in das Mileu
der ceylonesischen Perlenfischer, während die Kostüme sich modern gehalten
hier gut selbst bei den religiösen Riten anpassen ließen.
Sehr
gut gelang die Personenführung, die Szenen am Set des Fernsehteams zeigten
die Realität von Dreharbeiten sehr gut auf, vor allen Dingen war von Anfang
an Nourabad, selbstverliebt und stumm artikulierend mit einem Mikrophon
als Hohepriester des Fernsehens und als Moderator äußerst present und
beweglich auf der Bühne , dargestellt von Nicolas TESTÉ, der seinen wohlklingenden
Baß erst im 2. Akt erklingen lassen konnte.
Von
den weiteren Hauptprotagonisten glänzte - wie könnte es anders sein -
Diana DAMRAU, deren Stimme fülliger erschien, und die nicht nur sängerisch
sondern auch darstellerisch alle Erwartungen des Publikums erfüllen konnte,
besonders im Duett des 3. Aktes mit Zurga (Nathan Gunn) konnte sie ihre
Ablehnung des sie Begehrenden bestens herausarbeiten. Nathan GUNN, als
lyrischer Bariton angekündigt, sang seine Rolle mit gutem Darstellungsvermögen
und kräftiger Baritonstimme. Leider erklang das berühmte und immer wieder
gespielte und bei vielen Konzerten geforderte Freundschaftsduett mit Nadir
im 1. Akt musikalisch nicht im Einklang der Stimmen - sehr schade. Dimitry
KORCHAK als Nadir war eine geglückte Tenorbesetzung, höhensicher und darstellerisch
perfekt waren seine Szenen, gerade die Liebeszenen mit Leila konnte er
bestens herausarbeiten.
Das
Fernsehteam in stummen Rollen waren angefangen mit Andreas ZIMMERMANN
als Regisseur bis hin zur Crew hervorragende Statisten und waren in den
ihnen zugedachten Rollen voll zu Hause. Die Tänzerinnen Helen ASCHAUER,
Eva MÜLLER und Sandra SINGH in verschiedenen Rollen - auch als Perlen
in den Riesenmuscheln - fügten sich sehr gut in die Inszenierung ein,
auch Einheimische von Ceylon, teilweise auch in merkwürdigen Röcken und
Masken, kamen damit gut zu recht.
Das
RADIO-SYMPHONIEORCHESTER WIEN unter der Stabführung von Jean-Christophe
SPINOSI brachte Bizets Erstlingswerk sehr gut zum Publikum, nur hatte
man leider den Eindruck, daß durch das Bühnengeschehen sich das Opernpublikum
nicht ausreichend auf die Musik konzentieren konnte. Der ARNOLD SCHÖNBERG
CHOR unter der Leitung von Erwin ORTNER war bestens einstudiert und lieferte
nebst den Statisten des Theaters an der Wien eine nicht nur gesanglich,
sondern auch perfekte darstellerische Leistung ab. I.St.
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