"GOODBYE YELLOW BRICK ROAD"

Als wir Wiener Freunden mitteilten, wir wollten uns den "Lohengrin" anschauen, ernteten wir immer die gleiche Reaktion: "Das wollt ihr euch antun?" Die Inszenierung muß in Wien tatsächlich berüchtigt sein. Wir fanden sie berüchtigt öde. Aber die Gründe unserer Reise waren ja eigentlich auch andere.

Robert Dean SMITH sang an diesem Abend, den seinen für uns bisher besten Lohengrin (wobei dies als absoluter Superlativ zu verstehen ist). Mit seiner Wortdeutlichkeit und der Phrasierung, die von großer Legatofähigkeit getragen wurde, ließ er zu keinem Zeitpunkt erahnen, daß die Partie irgendwelche Schwierigkeiten besitzen könnte. Auch darstellerisch zeichnete er mit kleinen Nuancen mehr ein Porträt seiner Rolle als andere dies mit melodramatischen Gesten vermögen würden.

Am meisten unter der Öde der Inszenierung zu leiden, hatte wohl Camilla NYLUND als Elsa. Mit nicht mehr als der Blindheit Elsas und anscheinend wenig zum Charakter Figur selbst von der Regie allein gelassen, geriet die Figur recht eindimensional. Untadelig gesungen war es allemal. In einem anderen Regiekonzept könnte sicherlich eine aufregendere Interpretation möglich sein.

Mehr schien da dem Regisseur wohl zu Telramund eingefallen, der durchaus absurde, beinahe alberne Züge besaß Vielleicht lag es aber auch an der bekannten Freude zur Charakterisierung seitens Falk STRUCKMANN, der, nun wieder gesund, auch musikalisch eine eindrucksvolle Studie der widerspruchsvollen Gemüts zwischen Machtgier und Pflichtbewußtsein darbot.

Lioba BRAUN (Ortrud) konnte dem nichts entgegensetzen. Ihre Tonbildung klang zu gurgelnd. Fast schien es als sänge sie nur in einer Lage. Ihre Mimik war über weite Strecken übertrieben, beinahe grotesk. Man spürte nichts von der Gefährlichkeit oder Mystik der Figur in ihrer Darbietung. Schade.

Ain ANGER fehlten die Präsenz, Kraft und stimmliche Disziplin für Heinrich, den Vogler. In den Ensembles ging er meist gnadenlos unter. Vom Heerrufer von Morten Frank LARSEN hätte man sich letzteres zumeist gewünscht. Seine Stimme knarzte und röchelte nur.

Der von Thomas LANG einstudierte CHOR machte seine Sache ordentlich, aber nicht überragend, gelegentlich fielen einzelne Stimmen heraus, insbesondere im ersten Akt war dies auffällig. Die Edlen, Edelknaben und Kammerfrauen blieben insgesamt nicht weiter in Erinnerung.

Dirigent Leif SEGERSTAM wählte am Pult des ORCHESTERS DER WIENER STAATSOPER sehr breite Tempi, ohne dafür die notwendige Spannung erzeugen zu können. Das Vorspiel schien kein Ende nehmen zu wollen. Erst im Vorspiel zum Brautgemach wechselte er plötzlich zu einem drängenderen Tempo, was dem Stück besser anstand. Wenigstens versuchte er nicht, gegenüber den Sängern seine eigenwilligen Vorstellungen durchzusetzen, sondern paßte sich eher deren Wünschen an. Was das Orchester sich gerade im - häufig zudem zu lauten - Blech an Patzern leistete, war allerdings wenig erbaulich.

Das Konzept von Regisseur Barrie KOSKY hat sehr interessante Ansätze (Elsa ist nach dem Verschwinden des Bruders erblindet, Lohengrin verfügt tatsächlich über Zauberkräfte, so daß diese Anschuldigung gar nicht so verkehrt ist). Es wäre allerdings höchst erfreulich, wenn der Opernbesucher davon auch in der Vorstellung etwas sehen würde, anstatt von diesen Ideen nur im Programmheft-Interview zu lesen.

Auf die Bühne hat es nur eine über weite Strecken langweilige Aneinanderreihung von Ideen geschafft, deren Höhepunkt Telramund beim Singen von "Hier steh' ich, hier mein Schwert!", während er Elsas Blindenstock in die Höhe reckt (und ihn, den Irrtum bemerkend, anschließend rasch versteckt), war. Den Schwan gibt es erst ab dem zweiten Akt, während Lohengrin zeitgleich mit einer überdimensionierten gelben Kette erscheint. Zu Elsas Haus führt ein gelbgepflasterte Weg, der Assoziationen an den "Zauberer von Oz" weckt, was allerdings nicht wirklich zum Verständnis des Stücks beiträgt.

Das Bühnenbild (Klaus GRÜNBERG) besteht aus neongelben Elementen wie z.B. einen kleinen Kipplader, einem riesigen Spielzeughasen und einem ebensolchen Schwan, der wie aus Seife gemacht wirkt. Daß dies die Spielzeuge des so irgendwie stets allgegenwärtigen Gottfrieds sein sollen, muß man auch erst nachlesen. Gelungen wie überraschend ist die Verwandlung von Evas Haus in das Münster.

Für die beabsichtigte Traumwelt sind die Kostüme (Alfred MAYERHOFER) recht formell. Man trägt Anzug, hin und wieder ein Kleid oder eben Frack zur Hochzeit.

Ein Skandal ist dies alles nicht, es sei denn, man sieht Langeweile als skandalös an. Schlußendlich haben wir das bekommen, wofür nach Wien gefahren waren: eine tolle Zweimannshow mit erstklassigen stimmlichen Leistungen - und vielen neuen Ideen für unsere "unendliche Geschichte". MK + AHS