"Pique
Dame" ist eine Oper, die keine Mittelmäßigkeit verträgt, in die Tschaikowsky
sein Herzblut hinein komponiert hat wie in kaum ein anderes Werk. Nicht
nur musikalisch muß die Aufführung perfekt sein, auch die szenische Ausstattung
sollte dies sein. Wenn man von der musikalischen Seite höchst zufrieden
sein kann, war die Inszenierung von Vera NEMIROVA schon sehr trübsinnig.
Das Einheits-Bühnenbild von Johannes LELACKER sieht aus wie ein verkommenes
Haas-Haus (gegenüber vom Stephansdom), aber nach vierzig Jahren DDR-Regime,
verlottert und grau. Die Kostüme von Marie-Luise STRANDT waren auch nicht
angetan etwas Stimmung aufkommen zu lassen. Besonders übel war das "Pastorale",
von seltener Vulgarität. Auch der Auftritt von Katharina II. durch den
Zuschauerraum paßte wie eine Faust aufs Auge in diese fetzige Inszenierung.
Völlig unnötig war die Vergewaltigungsszene auf dem Totenbett der Gräfin,
der Hermann das Karten-Geheimnis entlocken will. Obwohl der Katafalk natürlich
sehr gelungen war.
Zum
Glück erwies sich Seiji OZAWA als umsichtiger und temperamentvoller Dirigent
- was er nicht immer in Opern ist. Er arbeitete sowohl die dramatischen
Szenen ungemein schwungvoll aus. ließ aber auch die Lyrik der Musik an
den richtigen Stellen zu Worte kommen. Das ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
folgte Ozawa mit schwelgendem Ton, wie es nur die Wiener Philharmoniker
können. Die hervorragende Leitung des CHORS DER WIENER STAATSOPER durch
Thomas LANG war natürlich ein zusätzlicher Plus-Punkt.
Die
drei Sänger der Hauptrollen waren allerdings auch ausgezeichnet. Allen
voran Anja SILJA als alte Gräfin zeigte wieder einmal, welche großartige
Künstlerin sie ist. Die halluzinierenden Ausbrüche sind ebenso glaubhaft
wie ihre Tobsuchtsanfälle - eine Dienstbotenschinderin der alten Garde.
Und wenn sie ihr französisches Lied von Grétry singt, bleibt einem der
Atem weg. Phänomenal! Als ihr Gegenspieler, der halbverrückte Hermann
war Neil SHICOFF wieder einmal in seinem Element. Ein spielsüchtiger Psychopath,
der alles aufs Spiel setzt, um die drei Karten "Drei - Sieben - As" von
der Gräfin zu erfahren und dabei die angebetete Lisa vernichtet. Stimmlich
öfters an den Grenzen seiner Möglichkeiten, hielt er trotzdem ständig
das Publikum in Atem. Nur sein Selbstmord am Spieltisch war etwas undramatisch.
Lisa,
die Frau seiner Träume, war Martina SERAFIN, eine große Tragödin in dieser
Rolle, sowohl stimmlich hervorragend als auch darstellerisch ausdrucksstark.
Ihrem Verlobten, dem Fürsten Jeletzki, eine ausgesprochen undankbare Rolle,
gab Markus EICHE die Noblesse des verzeihenden Mannes, der aber am Schluß
in der Spielszene seine Rache kalt ausführt.
Eine
liebenswerte Freundin Lisas war Zoryana KUSHPLER als Polina (und Daphnis),
die ihr russisches Lied sehr innig sang. Als strenge Gouvernante, die
den Mädchen vorwirft, russische Lieder zu singen, war Laura TWAROWSKA
passend am Platze. Die Macha (und Chloé) sang Caroline WENBORNE hübsch
trotz der idiotischen Verkleidung im Pastorale.
Als
Hermanns Kollegen, die ihn verspotten, waren Peter JELOSITS (Tschekalinski)
und Goran SIMIC (Surin) richtig am Platz. Im Gegensatz dazu gab Albert
DOHMEN dem Grafen Tomski (und Plutus) Würde und Mitgefühl für seinen armen
Freund. Clemens UNTERREINER war ein steifer Zeremonienmeister. In der
Spielszene des Schlosses hetzten Benedikt KOBEL (Tschaplinski) und Dan
Paul DUMITRESCU (Narumov) den bereits gehetzten Hermann noch mehr auf
bis zum bitteren Ende.
Ein
denkwürdiger Abend, vom Publikum gefeiert - trotz der verpatzten Szenerie.
wig.
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