Wenn
immer man eine der letzten Opern von Richard Strauss erlebt, fragt man
sich, wie der Komponist, abgesetzter Reichsmusikdirektor, seine offen
pazifistischen Opern auf die Bühne gebracht hat. Denn mitten im Krieg,
kurz bevor Goebbels mit dem "totalen Krieg" sämtliche Theater sperrte,
ist die Aufführung eines "Konversationsstück für Musik" auf einen Text,
den er mit Clemens Krauss verfaßt hatte, das in einem Schloß bei Paris
spielt schon ein "starkes Stückl". Und der Vorwand für diese Oper ist
ein Sonett von Pascal und dreht sich um die ungemein strategischen Frage
"Wort oder Musik". 1934, ein paar Jahre vorher, hatte in Dresden "Die
schweigsame Frau", geschrieben auf ein Libretto des (jüdischen) Dichters
Stefan Zweig uraufgeführt, was ihm seine Absetzung als Reichsmusikdirektor
einbrachte. Die Gestapo hatte noch dazu nicht sehr linientreue Briefe
an Zweig abgefangen. Kurz vor Kriegsbeginn, hatte dann Strauss eine griechische
Schäfer-Tragödie "Daphne" und gleichzeitig ein offen pazifistisches Stück
"Ein Friedenstag" geschrieben. Schon sehr eigentümlich für einen "Nazi-Komponisten".
Die
neue Wiener Produktion von "Capriccio" wurde dem Ehepaar Marco Arturo
MARELLI (Inszenierung, Bühnenbild, Licht) und Dagmar NIEFIND (Kostüme)
anvertraut. Die wunderschönen, bewußt etwas kitschigen Rokoko Glas-Bühnenbilder
geben der ganzen Aufführung einen Eindruck der Zerbrechlichkeit, des Endes
einer Epoche. Die kluge Verwendung der Drehbühne unterstreicht dieses
Gefühl des Irrealen, des Wandelbaren. Das alles ist sehr subtil gemacht,
mit Ausnahme der beiden Schreibtische mit k. & k. Bürokraten-Lampe an
der Rampe für Flamand und Olivier, ein Einbruch der "Realität". Ein Augenschmaus!
Die
Besetzung wurde natürlich von der Gräfin von Renée FLEMING dominiert.
Es ist kein Zweifel, daß Fleming heute in dieser Rolle der verliebten
Madeleine heute keine wirkliche Konkurrenz hat. Sie haucht ihren Schlußmonolog
bisweilen ein wenig zu verhaucht, doch ist das fast Haarspalterei. Ihr
Bruder, der etwas geile Graf, ist bei Bo SKOVHUS in allerbesten Händen.
Umwerfend wenn er seine "Schauspielkünste" als griechischer Gott verkleidet
darstellt.
Die
beiden Liebhaber waren stimmlich hervorragend. Adrian ERÖD, der Dichter
Olivier, der mit seinem Sonett die ganze Intrige anzettelt, wirkte für
diese träumerische Rolle fast etwas zu bäuerlich. Als der zweite Verehrer,
der Musiker Flamand, war Michael SCHADE glaubwürdiger. eine Werther Figur.
Den Theaterdirektor La Roche sang Wolfgang BANKL, eine Rolle, in die er
noch hinein wachsen muß, denn es gibt zu viele illustre Vorbilder, als
daß man da leicht bestehen könnte. Sein kleines barockes Theater, das
er immer herumschleppt, half ihm sehr über die Runden.
Angelika
KIRCHSCHLAGER als Clairon, die Schauspielerin, die der Graf unbedingt
verführen will, war ganz große Klasse, nicht nur stimmlich, sondern auch
in ihrem Gehabe, die große Hetäre des "Ancien Régime" - perfekt! Ein Kabinettstückl
gab Peter JELOSITS als Souffleur Monsieur Taupe, ein vergessenes Wesen
in einer vergessenen Welt, dem Clemens UNTERREINER als Haushofmeister
einen Wagen findet, um nach Paris zu kommen. Letzterer sang auch sein
enigmatisches "Frau Gräfin, das Souper ist serviert!" vor dem Schlußmonolog
Madeleines.
Jane
ARCHIBALD als italienische Sängerin war herrlich und kam in einem Boot
auf Stelzen auf die Bühne, doch ihrer vorgeschriebenen Verfressenheit
konnte sie nicht frönen, das war ein Regiefehler. Als italienischer Tenor
war Ho-Yoon CHUNG ihr ein stimmfester Partner und starb herzzerreißend.
Die acht Diener waren Franz GRUBER, Michael WILDER, Martin MÜLLER, Hermann
THYRINGER, Wataru SANO, Oleg ZALYTSKIY, Burghard HÖFT und Jens MUSGER
und taten ihre Sache bestens und ausgelassen. Die junge Tänzerin war Josefine
TYLER und Vladimir SNIZEK ein passender Tanzmeister in einer hübschen
Choreographie von Lukas GAUDERNAK.
Die
Enttäuschung kam vom Dirigenten Philippe JORDAN, der das ORCHESTER DER
WIENER STAATSOPER eher breiig dirigierte. Kein Ab- und Aussetzen, die
Rubati fehlten, einzig die Sextett-Ouvertüre war gelungen. Schade!
Das
volle Haus feierte natürlich diese Starbesetzung begeistert. wig.
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