"LOHENGRIN" - 28. Mai 2008

Es gibt einige wenige Inszenierungen, die findet man wirklich gut, viele, die man als halbwegs gut einstuft, viele als eher schlecht, und wiederum einige wenige, die man als glatte Katastrophe empfindet. Dem Wiener "Lohengrin" unter der Regie von Barrie KOSKY kommt letztere höchst zweifelhafte Ehre zu.

Ein seltsames und in sich nicht schlüssiges Konzept, in dem der Schwan durch eine gelbe Kette ersetzt wird (Bühnenbild: Klaus GRÜNBERG), die über den Köpfen der Darsteller hängt, wo Elsa teilweise mit einem Blindenstab über die Bühne irrt, wo im Hochzeitszug Figuren mit Vogelköpfen marschieren, wo das Ensemble die meiste Zeit damit verbringt, nichts zu tun, als auf Stühlen zu sitzen, die aufgereiht sind wie in einem Zuschauerraum, und die einzige Bewegung auf der Bühne besteht dann darin, daß jemand der Hauptfiguren aufsteht und sich woanders hinsetzt, aber über lange Strecken rühren sie sich so wenig wie der grellgelbe Plastikhase, der oftmals auf der Bühne sitzt und doch keine Funktion zu haben scheint.

Diese höchst eigenartigen Ideen (um das einmal gelinde auszudrücken) bleiben komplett unverständlich. Höchstens gewinnt man den Eindruck, daß es sich hier wieder einmal um einen Regisseur handelt, der aus Mangel an wirklicher Originalität den ersten Unsinn auf die Bühne bringt, der ihm einfällt, nur um irgendwie in der Erinnerung des Publikums zu bleiben. Daß es eine positive Erinnerung sein kann, möchte ich stark bezweifeln.

Wer mir hingegen ganz eindeutig positiv in Erinnerung geblieben ist, ist Klaus Florian VOGT in der Rolle des Lohengrin. Sein sanftes, hohes Timbre erlaubt es ihm, die Höhen der Rolle mühelos zu bewältigen, aber gleichzeitig ist seine Stimme doch auch kräftig genug für eine Wagner-Partie. Am Anfang agierte er etwas hölzern, was aber wohl eher mit der praktisch nicht existenten Personenführung zusammenhing, da er aus dem langen Dialog mit Elsa nach der Hochzeit, den er laut Regieanweisung die meiste Zeit auf einem Stuhl sitzend vor dem geschlossenen Vorhang verbringen musste, darstellerisch doch einiges herausholen konnte.

Angela DENOKE als Elsa enttäuschte zunächst durch einen seltsam grellen Klang, fand dann aber im zweiten Akt zu ihrer gewohnt guten Form zurück. Nur bedauerlich, daß diese Regie sie zu so einer albernen Gestalt verkommen ließ - ich habe sie schon öfters als begabte Darstellerin erlebt.

An diesem Abend gab John WEGNER als Telramund sein Staatsoperndebüt, was er allerdings besser nicht getan hätte. Sein Gesang war über weite Strecken grob und unkultiviert, und aus dem intriganten Grafen wurde ein rüpelhafter Bauer. Auch Janina BAECHLE, die ich auch schon besser erlebt habe, war keine sonderlich gute Ortrud, weder stimmlich noch von der Figur her, die sie auf der Bühne bot, was sicherlich auch mit ihrer Ausstaffierung zusammenhing, für die sie einfach viel zu füllig war (Kostüme: Alfred MAYERHOFER; die üblichen einfallslosen Anzüge oder grauen Fetzen).

Als König Heinrich sah man Kwangchul YOUN, der seine Sache recht ordentlich machte, allerdings manchmal etwas zu sehr tremolierte. Von der Stimme her besser war Markus EICHE als Heerrufer, nur schade, daß man ihm nur eine so kleine Rolle gegeben hatte, die er die meiste Zeit still wie eine Statue vorne rechts auf der Bühne sitzend "spielte".

Das ORCHESTER unter der Leitung von Peter SCHNEIDER kannte nur zwei verschiedene Lautstärken: mit und ohne Blechbläser. Aus der wunderschönen, sanft und leise beginnenden Ouvertüre wurde ein gefühlloser Einheitsbrei, und das besserte sich auch im Laufe der Aufführung nicht. Meine eigene Orchestererfahrung beschränkt sich zwar auf Auftritte mit verschiedenen Jugend- und Amateurformationen, aber kein einziger der Dirigenten, die ich dabei erlebt hatte, hätte sich einen solch mangelnden Einsatz bieten lassen. Vielleicht sollten sich die Herren Philharmoniker nicht einfach nur in ihrem Ruhm sonnen, sondern auch aktiv etwas dafür tun, dass dieser erhalten bleibt.

Gut und differenziert sang hingegen der CHOR (Einstudierung: Thomas LANG), zusammen mit Vogt und (wenigstens die meiste Zeit über) Denoke einer der wenigen Lichtblicke des Abends. Robin A. Röthlisberger