"Orpheus
in der Unterwelt" ist nicht Offenbachs bestes Werk. Im Vergleich mit "Les
Brigands", "Die Großherzogin von Gerolstein" oder "La Belle Hélène" ist
der "Orpheus" musikalisch ein wenig schwach, denn diese Operette steht
und fällt mit dem all gegenwärtigen Can-can und dessen Choreographie.
Das ist allerdings hier nicht wirklich gelungen. Obwohl die große Wiener
Tageszeitung "Die Presse" diese Produktion von Helmut BAUMANN als "Kult-Inszenierung"
bezeichnet hatte (im Foyer der Volksoper groß angeschlagen), kann man
darüber streiten. Die weltweite Marotte alles unbedingt aktualisieren
zu wollen, ist hier großteils daneben gegangen. Die Produktion könnte
auch für "Desperate Housewives in Las Vegas" passen.
Dabei
zeigten die Bühnenbilder von Mathias FISCHER-DIESKAU einige gute Ideen,
z. B. den Aufzug, der die Götter zwischen Unterwelt und Olymp pendeln
läßt und einige amüsante Versatzstücke, wie der Donnerpfeil Jupiters,
ein riesiger Gasanzünder. Ebenso schwanken die Kostüme von Uta LOHER und
Conny LÜDERS zwischen lächerlich-göttlich im 2. Akt und dämlich-häßlich
im 1. und 3. Akt, was der zündenden Choreographie, für die Roswitha STADLMANN
zeichnete, nicht sonderlich nützte. Denn die Can-can-Tänzerinnen waren
in grau-schwarze kurz geschürzte punkige Astronauten-Klamotten von unsagbarer
Häßlichkeit gehüllt. Da die halbe Vorstellung aus Can-can besteht, war
die Erotik des Balletts geopfert worden, um einem billigen Voyeurismus
zu huldigen. Der klassische Zusammenbruch der Tänzerinnen-Riege im Spagat
erntete natürlich Szenenapplaus. Ein Kenner wie der Dramaturg Christoph
WAGNER-TRENKWITZ hätte einige Peinlichkeiten verhüten können.
Gesanglich
ist das Werk relativ anspruchsvoll. Daß man zwei Bühnenlieblinge des Sprechtheaters
engagiert hatte, die zwar hervorragend spielten, die aber kaum singen
können, ist schade für die Künstler und das Publikum. Erni MANGOLD als
Öffentliche Meinung zeigte trotz ihres Alters unwahrscheinliches Bühnentemperament
und tanzte, als ob sie vier Jahrzehnte jünger wäre, doch die stimmliche
Darbietung war peinlich. Sehr treffend war Peter MATI? als Hans Styx in
gepuderter Perücke und Rokoko-Kostüm. Er trug seinen gelangweilten Snobismus
mit trockenem Humor zur Schau, aber "Als ich noch Prinz war von Arkadien"
hat man schon viel besser gesungen gehört.
Blieben
also die "alten Hasen" der Gesangs-Branche, um die musikalische Seite
der Vorstellung zu retten. Als Antiheld Orpheus gab Sebastian REINTHALLER
mit schönem Timbre, schäbig gekleidet, der Titelrolle die richtige Figur
des verpatzten Musiklehrers, der sehr froh ist, seine zänkische Ehefrau
verloren zu haben. Diese wurde von der attraktiven Jennifer BIRD als gelangweilte
Eurydike mit hübscher, entwicklungsfähiger Stimme und viel Temperament
dargestellt.
Zwischen
Unterwelt und Olymp kamen und gingen die reisenden Götter immer im Aufzug.
Kurt SCHREIBMEIER gab Göttervater Jupiter die richtige Wichtigkeit und
passenden stimmlichen Ausdruck. Eine aggressive Juno bot Helga PAPOUSCHEK,
die keine Gelegenheit verpaßte, auf ihren flatterhaften Göttergatten aufzupassen.
Christian BAUMGÄRTL sang sehr feurig den Pluto/Aristeus und spielte ausgezeichnet.
Seine Diktion der gesprochenen Texte ist allerdings sehr verbesserungsfähig.
In
der weiteren Götterriege war Gerald PICHOWETZ köstlich als kleiner dicker
Cupido in Windelhosen, der Mars von Heinz FITZKA war glaubhaft kriegerisch,
Wolfgang GRATSCHMAIER zeichnete einen schmierig-schleicherischen Merkur,
Johanna ARROUAS war eine hübsch singende Jägerin Diana, Regula ROSIN eine
lüsterne Venus und Ulrike PICHLER-STEFFEN eine weise Minerva. Beim Betriebsausflug
in die Hölle trieben es Göttinnen und Götter ganz wild. Sehr schön spielte
Katharina GÖBL als Orpheus-Schülerin das Violinsolo auf der Bühne.
Auch
dieser Abend war in den bewährten Händen von Elisabeth ATTL, die das ORCHESTER
mit großem Einsatz und dem richtigen Gefühl für die Tempi leitete. Sie
führte auch perfekt die Sänger, sowohl die "alten Hasen" als auch die
jungen Neulinge, denen sie den richtigen "Einstieg" zeigte. Der CHOR war
von Thomas BÖTTCHER sehr gut einstudiert worden und sang aus vollen Kehlen.
Ein
Bombenerfolg beim Publikum, das die Volksoper gestürmt hatte, welche mehrere
zusätzliche Vorstellungen einschieben mußte. wig.
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