Heubergers
"Der Opernball" ist ein schönes Beispiel eines liebenswerten Kleinods
eines "kleinen Meisters", der immer im Schatten zweier Riesen, Johann
Strauß und Franz Lehár, stand. Er hatte es nicht leicht. Doch das Couplet
"Komm mit mir ins Chambre Séparé" ist ein internationaler Ohrwurm geworden.
Die musikalisch ziemlich anspruchsvolle Partitur ist vor allem in der
Instrumentierung von Heubergers Mentor Brahms beeinflußt, doch hat der
junge Musikkritiker und Komponist viele andere Eindrücke des ausgehenden
19. Jahrhunderts assimiliert. An manchen Stellen ist Richard Strauss nicht
weit wie die Flöten- und Klarinettentriller im 2. Akt, die an "Till Eulenspiegel"
erinnern.
Das
passabel konfuse Libretto der "rosa Dominos", wie der Untertitel lautet,
wurde von Victor Léon und Heinrich von Wallberg geschneidert. Léon hat
bereits am Libretto der "Fledermaus" und der "Nacht in Venedig" mitgestrickt,
nur ist die Handlung hier noch verwirrender, denn es sind gleich drei
Dominos, die beiden Gattinnen, Angèle Aubier und Marguerite Duménil und
Hortense, Marguerites Stubenmädchen. Daß die Männer die Geprellten sind,
versteht sich von selbst.
Die
spritzige Regie von Robert HERZL war geistvoll, ohne je in Vulgarität
abzugleiten. In den sehr gelungenen Bühnenbildern von Wilfried SAKOWITZ,
die ein bürgerliches Palais und den Prunk der Pariser Garnier-Oper imitierten
und den schönen, kleidsamen Kostümen von Friederike BINKAUF spielte sich
die turbulente Handlung rasant ab.
Die
musikalische Leitung des Abends war in den Händen von Elisabeth ATTL,
Die junge Dirigentin mit der langen Erfahrung leitete die Operette Heubergers
zum ersten Mal. Die hinreißenden Tempi die sie dem Orchester entlockte,
waren großteils verantwortlich für den außergewöhnlichen Erfolg des Abends.
Seit ihrer Rückkehr vom Liceu in Barcelona nach Wien hat sie zahlreiche
Aufführungen in der Volksoper dirigiert und - für andere - einstudiert.
Es wäre vielleicht Zeit, daß sie einmal eine eigene Aufgabe bekäme.
Die
Sänger waren meist "Stützen des Hauses", die die Operette im Blut haben.
Kurt SCHREIBMEIER als Paul Aubier gehört in diese Gruppe. Stimmlich kann
man ihn kaum als Nachwuchssänger bezeichnen. Er spielt blendend den etwas
naiven Lebemann, der keine Gelegenheit hatte, seinen flatterhaften Instinkten
zu folgen, und der schnell lernt. Er hat die Mechanik der Operette im
kleinen Finger. Seiner ebenso naiven, etwas weinerlichen Gattin Angèle,
die auch rasch lernt, gab Elisabeth FLECH mit hübschem Timbre das richtige
Profil.
Das
zweite Paar, die Duménils, waren Sebastian REINTHALLER und Ulrike STEINSKY.
Reinthaller sang und spielte prächtigst den wohlhabenden geriebenen Lebemann.
Steinsky ist umwerfend als Marguerite, denn sie macht sich keinerlei Illusionen
über die Treue ihres Gatten, die beiden führen nämlich eine "moderne Ehe".
Dies
paßt natürlich der besuchenden Provinzlerin Palmyra Baubuisson gar nicht
in ihre Lebensphilosophie, von Sigrid MARTIKKE blendend dargestellt, voll
trockener Operettenkomik. Ihr geiziger, kreuzerzählender Gatte Théophile
war Rudolf WASSERLOF - von umwerfender Lächerlichkeit, denn er "hat sich
alles ganz anders vorgestellt".
Ihr
Neffe, der Marine-Offiziersanwärter Henri, gibt seinem Onkel Ratschläge,
wie man bei Frauen erfolgreich ist. Die junge Estin Annely PEEBO gab mit
schöner Stimme der Rolle den jugendlichen Schmiß. Henri ging natürlich
Hortense, Marguerites Kammermädchen auf den Leim, von der schnippischen
Katja REICHERT gut gespielt und mit hübschem Soubretten-Sopran gesungen.
Ulrike
BEIMPOLD als Schaupielerin Féodora, die Théophile ausbeutet und zur Verzweiflung
bringt, gab dieser verkörperten Sünde die Verruchtheit der Pariser Kokotte.
Den Oberkellner Philippe, üblicherweise vom Hausherrn, Volksoper-Direktor
Robert Meyer dargestellt, wurde diesmal vom Gerhardt ERNST mit tiefernster,
perfekter Operettenkomik gespielt und erntete mehrmals Szenenbeifall.
Besonders wenn er den Spiegeleffekt seines Servier-Blechs dem Kellner-Neuling
Eugène (Gernot KRANNER) erklärte.
In
den Nebenrollen waren Joseph PRAMMER (Germain), Klaus Ofczarek (Graf de
la Tour), Michael WEBER (Baron de Coligny) und Susanne LITSCHAUER (Zofe)
passend und trugen zur allgemeinen Heiterkeit bei. Die Choreographie von
Gerhard SENFT war übermütig, wie es auf einem richtigen Opernball sein
soll.
Das
volle Haus ergötzte sich an der sehr schönen Aufführung und spendete viel
Applaus. Für den aus dem Ausland kommenden Besucher ist die Volksoper
eine schöne Institution, da er selten enttäuscht wird. Er
geht nicht mit den selben Erwartungen in die Aufführung in der Volksoper
als in der Staatsoper und kommt im allgemeinen sehr erfreut aus der Vorstellung.
Die Sänger haben nicht die Prätention, mit den Leistungen im Haus am Ring
konkurrieren zu wollen, denn die beiden Häuser verfolgen eine völlig unterschiedliche
künstlerische Logik - und das ist gut so. Die Volksoper ist ein Ensembletheater.
Man kann immer wieder seit Jahrzehnten nicht mehr gesehene Werke erleben,
die kaum ein Haus mehr spielt, und das ist das Beste an der Volksoper.
wig.
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