"DER OPERNBALL" - 29. Januar 2008

Heubergers "Der Opernball" ist ein schönes Beispiel eines liebenswerten Kleinods eines "kleinen Meisters", der immer im Schatten zweier Riesen, Johann Strauß und Franz Lehár, stand. Er hatte es nicht leicht. Doch das Couplet "Komm mit mir ins Chambre Séparé" ist ein internationaler Ohrwurm geworden. Die musikalisch ziemlich anspruchsvolle Partitur ist vor allem in der Instrumentierung von Heubergers Mentor Brahms beeinflußt, doch hat der junge Musikkritiker und Komponist viele andere Eindrücke des ausgehenden 19. Jahrhunderts assimiliert. An manchen Stellen ist Richard Strauss nicht weit wie die Flöten- und Klarinettentriller im 2. Akt, die an "Till Eulenspiegel" erinnern.

Das passabel konfuse Libretto der "rosa Dominos", wie der Untertitel lautet, wurde von Victor Léon und Heinrich von Wallberg geschneidert. Léon hat bereits am Libretto der "Fledermaus" und der "Nacht in Venedig" mitgestrickt, nur ist die Handlung hier noch verwirrender, denn es sind gleich drei Dominos, die beiden Gattinnen, Angèle Aubier und Marguerite Duménil und Hortense, Marguerites Stubenmädchen. Daß die Männer die Geprellten sind, versteht sich von selbst.

Die spritzige Regie von Robert HERZL war geistvoll, ohne je in Vulgarität abzugleiten. In den sehr gelungenen Bühnenbildern von Wilfried SAKOWITZ, die ein bürgerliches Palais und den Prunk der Pariser Garnier-Oper imitierten und den schönen, kleidsamen Kostümen von Friederike BINKAUF spielte sich die turbulente Handlung rasant ab.

Die musikalische Leitung des Abends war in den Händen von Elisabeth ATTL, Die junge Dirigentin mit der langen Erfahrung leitete die Operette Heubergers zum ersten Mal. Die hinreißenden Tempi die sie dem Orchester entlockte, waren großteils verantwortlich für den außergewöhnlichen Erfolg des Abends. Seit ihrer Rückkehr vom Liceu in Barcelona nach Wien hat sie zahlreiche Aufführungen in der Volksoper dirigiert und - für andere - einstudiert. Es wäre vielleicht Zeit, daß sie einmal eine eigene Aufgabe bekäme.

Die Sänger waren meist "Stützen des Hauses", die die Operette im Blut haben. Kurt SCHREIBMEIER als Paul Aubier gehört in diese Gruppe. Stimmlich kann man ihn kaum als Nachwuchssänger bezeichnen. Er spielt blendend den etwas naiven Lebemann, der keine Gelegenheit hatte, seinen flatterhaften Instinkten zu folgen, und der schnell lernt. Er hat die Mechanik der Operette im kleinen Finger. Seiner ebenso naiven, etwas weinerlichen Gattin Angèle, die auch rasch lernt, gab Elisabeth FLECH mit hübschem Timbre das richtige Profil.

Das zweite Paar, die Duménils, waren Sebastian REINTHALLER und Ulrike STEINSKY. Reinthaller sang und spielte prächtigst den wohlhabenden geriebenen Lebemann. Steinsky ist umwerfend als Marguerite, denn sie macht sich keinerlei Illusionen über die Treue ihres Gatten, die beiden führen nämlich eine "moderne Ehe".

Dies paßt natürlich der besuchenden Provinzlerin Palmyra Baubuisson gar nicht in ihre Lebensphilosophie, von Sigrid MARTIKKE blendend dargestellt, voll trockener Operettenkomik. Ihr geiziger, kreuzerzählender Gatte Théophile war Rudolf WASSERLOF - von umwerfender Lächerlichkeit, denn er "hat sich alles ganz anders vorgestellt".

Ihr Neffe, der Marine-Offiziersanwärter Henri, gibt seinem Onkel Ratschläge, wie man bei Frauen erfolgreich ist. Die junge Estin Annely PEEBO gab mit schöner Stimme der Rolle den jugendlichen Schmiß. Henri ging natürlich Hortense, Marguerites Kammermädchen auf den Leim, von der schnippischen Katja REICHERT gut gespielt und mit hübschem Soubretten-Sopran gesungen.

Ulrike BEIMPOLD als Schaupielerin Féodora, die Théophile ausbeutet und zur Verzweiflung bringt, gab dieser verkörperten Sünde die Verruchtheit der Pariser Kokotte. Den Oberkellner Philippe, üblicherweise vom Hausherrn, Volksoper-Direktor Robert Meyer dargestellt, wurde diesmal vom Gerhardt ERNST mit tiefernster, perfekter Operettenkomik gespielt und erntete mehrmals Szenenbeifall. Besonders wenn er den Spiegeleffekt seines Servier-Blechs dem Kellner-Neuling Eugène (Gernot KRANNER) erklärte.

In den Nebenrollen waren Joseph PRAMMER (Germain), Klaus Ofczarek (Graf de la Tour), Michael WEBER (Baron de Coligny) und Susanne LITSCHAUER (Zofe) passend und trugen zur allgemeinen Heiterkeit bei. Die Choreographie von Gerhard SENFT war übermütig, wie es auf einem richtigen Opernball sein soll.

Das volle Haus ergötzte sich an der sehr schönen Aufführung und spendete viel Applaus. Für den aus dem Ausland kommenden Besucher ist die Volksoper eine schöne Institution, da er selten enttäuscht wird. Er geht nicht mit den selben Erwartungen in die Aufführung in der Volksoper als in der Staatsoper und kommt im allgemeinen sehr erfreut aus der Vorstellung. Die Sänger haben nicht die Prätention, mit den Leistungen im Haus am Ring konkurrieren zu wollen, denn die beiden Häuser verfolgen eine völlig unterschiedliche künstlerische Logik - und das ist gut so. Die Volksoper ist ein Ensembletheater. Man kann immer wieder seit Jahrzehnten nicht mehr gesehene Werke erleben, die kaum ein Haus mehr spielt, und das ist das Beste an der Volksoper. wig.