Wie
vieles andere auch, gehören Offenbachs "Contes d'Hoffmann" zum bewährten
Repertoire der Wiener Staatsoper. Die Besetzung mag wechseln, die Inszenierung
(Andrei SERBAN) und Ausstattung (Richard HUDSON) bleibt über Jahre hinweg
gleich - mehr oder weniger zumindest, aber soweit ich mich an meinen letzten
"Hoffmann" im Jahre 2001 erinnern kann, sind diese Änderungen so minimal,
daß man sie vernachlässigen kann.
Der
Vorhang öffnet sich für den Prolog und läßt den Zuseher in einen sich
nach hinten verjüngenden Raum blicken, dessen Wände von Kritzeleien und
Schlieren bedeckt sind, als wären sie aus überdimensionalen Wirtshaustischen
gemacht. Für die drei Akte öffnet sich dieser Raum dann jeweils und erlaubt
es, die einzelnen Abenteuer mitzuerleben, bevor er sich für den Epilog
wieder schließt. Der Aufbau des Werks als einer Folge von drei separaten
Episoden mit einer Rahmenhandlung wird dadurch verdeutlicht. Auch die
immer wieder auf der Bühne präsenten Studenten, Hoffmanns Zuhörer, unterstreichen
diese Struktur.
Hoffmann
(Marcus HADDOCK) ist praktisch von Anfang bis Ende auf der Bühne präsent
und begleitet uns durch die spektakulär umgesetzte Traumwelt seiner Erlebnisse.
Gesanglich speziell am Ende des Prologes etwas wacklig, verbesserte sich
Haddock zusehends, und dafür, daß er sich (wie man durch einen Ansager
vor dem zweiten Akt erfuhr) mit den Symptomen einer Allergie herumschlug,
hielt er sich erstaunlich gut. Auch darstellerisch machte er sich nicht
schlecht, speziell das Verhalten eines Betrunkenen gab er mit Authenzität
und nicht ohne Komik wieder.
Hoffmann
zu Seite steht seine Muse (Sophie MARILLEY), zumeist in der Gestalt seines
Freundes Niklaus. Während sie ihre Rolle überzeugend spielte, blieb ihre
gesangliche Leitung leider deutlich hinter der schauspielerischen zurück.
Nicht nur tremolierte sie oftmals stark, ihr Timbre war auch speziell
in den Höhen und in lauten Partien sehr scharf, geradezu schneidend.
Was
wäre die Welt der Oper ohne ihre abgrundbösen Schurken? Für ihr Handeln
brauchen sie keine Rechtfertigung, solange sie nur gut singen, und Franck
FERRARI, der die Rolle des dämonischen Lindorf/Coppelius/Mirakel/Dapertutto
spielte und in ihr die Woche zuvor sein Debüt an der Staatsoper gegeben
hatte, konnte dies auf einem zumindest akzeptablen Niveau. Es fehlte ihm
nicht an Stimmgewalt und Bühnenpräsenz, wohl aber manchmal an Gefühl.
Gelegentlich kam er sehr hart an die Grenze zur brutalen "Röhre".
Die
zweite Vierfach-Rolle kann als das komische Gegenstück zur Gestalt des
Schurken angesehen werden. In ihr zu sehen war John DICKIE, der an diesem
Abend ausnahmsweise einmal gerechtfertigter Weise für Inkompetenz bezahlt
wurde. Seine Darbietung, vom albernen Diener bis zum erbärmlichen Gauner,
war komödiantisch gelungen.
Höhepunkt
des reichlich skurrilen ersten Aktes (komisch vor allem das überdimensionierte
Skelett mit der Brille, das plötzlich durchdringend nach der sich selbst
spielenden Harfe mit den Boxhandschuhen verlangte) war Jane ARCHIBALD
in der Rolle der Olympia. Nicht nur sang sie ihre Koloraturen perfekt,
sie hatte auch offensichtlich Spaß an der Rolle und verkörperte die mechanische
Puppe glaubhaft. Dazu gab Michael ROIDER einen weltfremden Spalanzani.
Der
zweite Akt spielte in einem düsteren Zimmer, das dominiert war von einem
riesigen Schattenriß-Porträt von Antonias verstorbener Mutter (die dann
in Gestalt von Margareta HINTERMEIER wie eine Traumgestalt auf der Bühne
erschien) und einem schwarzen Flügel, der je nach Beleuchtung an einen
Sarg gemahnte. In dieser tristen Umgebung irrten Antonia (Simina IVAN,
gesanglich akzeptabel aber mit reichlich affektierter Gestik während des
Duetts mit Hoffmann) und ihr Vater, Crespel (Walter FINK bot eine solide
Leistung) scheinbar verloren, während Ferrari als Mirakel das Geschehen
klar dominierte und stimmlich und darstellerisch einen klaren Höhepunkt
erreichte.
Im
dritten Akt enttäuschte Ricarda MERBETH als Giulietta, sie blieb eine
sehr blasse Gestalt, der man die verführerische Kurtisane kaum abnahm.
Nicht nur gesanglich, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes ebenso
blaß war Schlemihl (In-Sung SIM): ganz in weiß gekleidet und auch komplett
weiß geschminkt. Klar, er hat seinen Schatten verloren, aber muß er deswegen
gleich aussehen wie der Mann im Mond? Dapertutto saß über weite Strecken
im Rollstuhl, was ihm doch einiges von der in der Rolle angelegten dämonischen
Präsenz raubte, und so war die schillerndste Gestalt auf der Bühne ganz
klar der Diamant.
Unter
der Leitung von Bertrand DE BILLY spielte das ORCHESTER differenziert
und mit Gefühl und rundete den Abend durchaus zufriedenstellend ab. Robin
Röthlisberger
|