Viel
Trubel im Vorfeld dieser "Manon"-Produktion. Es war ja keine Geringere
als Anna NETREBKO, die in der Rolle der Manon besetzt war. Ich habe mich
lange Zeit gegen das PHÄNOMEN Netrebko gewehrt, denn die reinen Fernsehauftritte
haben mich eigentlich nie so richtig überzeugt. Erlebt man sie allerdings
auf der Bühne, dann ist der Eindruck doch ein ganz anderer. Die Stimme
ist ein Faktum, die Bühnenpräsenz ein zweites.
Die
Neuinszenierung von Andrej SERBAN ist, wie nicht anders zu erwarten gewesen
war, um Jahrhunderte versetzt und wurde in den zwanziger/dreißiger Jahre
des vorigen Jahrhunderts angesiedelt. Wie auch bereits bei seiner "Werther"-Inszenierung
ist er angegriffen worden, weil teilweise überreizt, andererseits aber
dem Werk nicht gerecht wird. Ich bin eigentlich nie erfreut, wenn die
Werke in die Gegenwart versetzt werden. Kein Regisseur ist in der Lage,
die Geschichte wirklich so umzuarbeiten, daß alles stimmt. Es kommt immer
wieder zu Ungereimtheiten.
Auch
die Sucht und der Zwang nach originellen Einfällen trägt ein weiteres
dazu bei. Manches wirkt dann peinlich. In diesem Fall die aufdringlichen
Nonnen im Kloster , um ein Beispiel zu nennen. Immerhin ein gewisser Teil
entspricht ganz gut, und man leidet nicht, wenn man ein zweites oder drittes
Mal das Werk anhört. Allerdings müßte die Besetzung so stimmig sein wie
diese. Wie würde es bei Nachbesetzungen aussehen? Wer könnte Netrebko
nachfolgen außer Netrebko?
Da
ist die Latte wirklich sehr hoch gelegt. Anna Netrebko ist Manon. Sie
ist das junge naive Mädchen, sie ist die Liebende, sie ist aber auch das
laszive Weibchen, und sie stirbt sogar glaubhaft. Sie besticht mit angenehmen
Timbre, hat in der Regel keine Problem mit den Spitzentönen und kann sich
auch im Piano beweisen. Und was noch positiv wirkt, ist natürlich die
Optik. Es wirkt keinen Moment peinlich, wenn sie leicht bekleidet auf
der Bühne herumwirbelt.
Mit
gewissem Zittern sah man vor der Premiere dem Auftritt von Roberto ALAGNA
entgegen. Unbegründet, der Scala-Skandal Schnee von gestern. In Wien gab
es sechs Abende keine Probleme. Roberto Alagna war ein prächtiger des
Grieux . Stimmlich in guter Form (besser als bei der Premierenübertragung)
setzt er totale Expressivität ebenso gekonnt ein wie ausgedehnte Piani.
Darstellerisch ist er sehr bemüht, aber kann doch nicht ganz aus dem mächtigen
Schatten der Manon heraustreten.
Ebenso
so großartig wie die beiden Hauptdarsteller das ORCHESTER unter Bertrand
de BILLY. Es wird sehr schillernd musiziert. Mal auftrumpfend , dann wieder
zart fließend. Auch der CHOR unter der Leitung von Thomas LANG sang sehr
differenziert.
Die
Nebenrollen waren aus dem Ensemble gut besetzt, aber blieben doch verhältnismäßig
blaß. Michael ROIDER als Guillot, In-Sung SIM als Bretigny, die drei Damen
Simina IVAN, Sophie MARILLEY und Juliette MARS trällerten fröhlich. Ain
ANGER als Vater des Grieux' und Adrian ERÖD als Lescaut stachen da etwas
mehr heraus.
Ein
brillanter Abend, der mit tosendem Applaus sowohl für die beiden Stars
und de Billy als auch für das Ensemble endete. Bei einer "Repertoirevorstellung"
zwanzig Minuten Applaus spricht schon für sich. EH
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