Weshalb
berührt David POUNTNEYs Inszenierung dieser Janácek-Oper eigentlich so
sehr? Vermutlich, weil sie so ganz ohne überflüssigen Schnickschnack auskommt,
der Geschichte eine Hülle ist und so Musik wie Sängern Raum zum Atmen
läßt.
Jenufa
war in der Interpretation von Ricarda MERBETH anders als man es gewohnt
ist, weniger das ätherische, nymphenhafte Wesen, das Stewa und Laca aufgrund
ihres Andersseins fasziniert, sondern wesentlich bodenständiger. Man sah
ein fröhliches Mädchen, das voll in die Dorfgemeinschaft integriert ist,
aber letztlich an Stewas Zurückweisung und dem Tod ihres Kindes zerbricht.
Ricarda
Merbeth besitzt eine warme, große Stimme mit sehr schönen dunklen Schattierungen.
Dank ihrer Kraft war sie der Partie und den Orchesterwogen voll gewachsen.
Viel an ihrem Gehabe, ihren Gesten sowie ihrer Haltung (besonders im 2.
und 3. Akt) zeigte, daß Jenufa die (Zieh-) Tochter der Küsterin ist. Die
Zukunft Jenufas blieb am Ende offen, was wesentlich musikkonformer und
realistischer wirkte.
Jorma
SILVASTI kam dieser Interpretation mit seinem Laca sehr entgegen. Die
Figur wirkte im 1. Akt ausgelassener, aber auch derber, später wesentlich
hilfloser dem Geschehen gegenüber, als in der Premierenserie.
Die
Schönheit von Silvastis Stimme erschließt sich einem vielleicht nicht
sofort, doch wenn man sie erkannt hat, entdeckt der Zuhörer eine Vielzahl
wunderschöner Feinheiten in der musikalischen Gestaltung und eine beneidenswerte
Musikalität, wie sie im heutigen, schnellebigen Geschäft selten geworden
ist.
Wirkliche
Konkurrenz kam durch den Stewa von John DICKIE nicht auf. Zu oft hatte
er mit der stimmlichen Bewältigung der Partie zu kämpfen, und zu häufig
wanderte sein Blick zum Dirigenten. In den hohen Lagen seiner Stimme kam
es zum Stemmen der Töne. Ansonsten lieferte er eine solide, aber wenig
aufregende Arbeit ab. Bedauerlich war, daß sich Stewa hier zu wenig forsch
und draufgängerisch präsentierte - im 2. Akt wirkte er gar wie ein pensionierter
Postbeamter - doch er angenehmer als andere in dieser Partie in Wien.
Wieder
bühnenbeherrschend zeigte sich Agnes BALTSA. Ihre Küsterin ist härter
und unnahbarer geworden. Alles für Jenufas guten Ruf und deren Zukunft
zu tun, bedeutet hier, mehr denn je die eigene Schande nicht durch eine
neue wieder in Erinnerung zu bringen. Die Szene, in der der Entschluß
zur Tötung von Jenufas Kind fällt, war berührend und beängstigend zugleich,
"Ich selbst tat es." ein großartiger Augenblick in Darstellung und Gesang.
Wien hat hier das Glück einer Ausnahmekünstlerin, die eine Ausnahmepartie
in Vollendung auf die Bühne bringt.
Ihr
ebenbürtig war Janina BAECHLE als alte Buryja. Man mußte schon zweimal
hinschauen, um sie zu erkennen, was nicht nur an Kostüm und Maske lag,
sondern auch am lebensechten Spiel. Ihre angenehm lebendige Stimme und
das interessant nuancierte Timbre trugen ebenso zur rundum gelungenen
Interpretation bei.
Aus
dem Ensemble ragten Olesya GOLOVNEVA (Jana) mit einer Leistung, die ein
zweites Hinhören wert war, sowie Johannes WIEDECKE als Dorfrichter mit
einer entwicklungsfähigen Stimme heraus.
Alfred
SRAMEKs Gesang war auch beim Altgesell wie immer so laut wie undifferenziert.
Auch die anderen kamen nicht über das erwartete Niveau hinaus.
Der
CHOR (Einstudierung: Ernst DUNSHIRN) leistete sich im 1. Akt einen heftigeren
Patzer und war mit der Choreographie (Renato ZANELLA) a la tanzende Dorfjungend
sichtbar überfordert. Die Damen machten im 3. Akt dann einen wesentlich
besseren Eindruck.
Graeme
JENKINS leitete den Abend souverän. Ein bißchen mehr Schwelgen in Janáceks
Musik wäre allerdings schön gewesen. Das ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
hinterließ den bis dato für mich besten Eindruck. AHS
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