Österreichische
Erstaufführung der 2002 in London uraufgeführten Oper von John Maw
Dreieinhalb
Stunden war das Publikum mit einer Geschichte konfrontiert, die sich mit
Vergangenheitsbewältigung beschäftigt. Dreieinhalb Stunden gab es eine
musikalische Berieselung, eine Musik, die keine fünf Minuten in Erinnerung
bleibt. Schade, ich bin mit höchsten Erwartungen in den Abend gegangen,
aber meine Erwartungen sind nur in bescheidenem Maße erfüllt worden.
Von
den dreieinhalb Stunden plätscherten die ersten zwei dahin, es war der
sanfte Teil der Geschichte Sophies der in Rückblendungen erzählt wird.
An Dramatik gewinnt das Ganze, als die KZ-Gepflogenheiten zur naturalistischen
Darstellung gelangten, als Sophie eine Vergewaltigung über sich ergehen
lassen mußte, und unter schweren Gewissenskonflikt in der Entscheidung,
welches der beiden Kinder sie opfern soll, um zumindest eines zu retten,
schmerzlich erkennen muß, daß es auch für den Sohn keine Rettung gab.
Das
Libretto wurde von dem Komponisten verfaßt und ist eben so wie die Musik
nicht gerade übermäßig beeindruckend. Der Beginn des Stückes geht auf
das Jahr 1947 in Amerika zurück und die Vergangenheit wird in Rückblenden
dargestellt. Sophie erzählt dem schriftstellernden Freund Stingo, der
Sophie liebt, Erlebnisse, ja, grauenhafte Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit.
Das Thema ist stark, aber was daraus gemacht würde leider nicht. Wenn
mehr gestrafft worden wäre, hätte das Ganze an Dynamik gewonnen, und der
Zuhörer/Zuschauer wäre in einen Sog der Faszination geraten, so war man
über weite Strecken eher gelangweilt.
Sicher
positiv zu bewerten ist die Qualität der Aufführung. Angelika KIRCHSCHLAGER
bringt eine sehr gute Leistung, gesanglich, darstellerisch und körperlich,
denn die Sängerin steht nahezu die ganze Aufführungsdauer auf der Bühne.
In dieser Uraufführung hat sie Maßstäbe gesetzt.
Auch
alle anderen Interpreten (Morten Frank LARSEN als ihr problematischer,
schizophrener jüdischer Geliebter Nathan, der junge Autor Stingo Matthias
KLINK, der stellenweise schöne Stimme hören läßt, der Erzähler Lenus CARLSON
von gediegener Präsenz), waren großartige Partner.
Die
Vergangenheit in Polen und im KZ wurde ebenfalls sehr intensiv dargestellt.
Wicus SLABBERT als Sophies Vater war sehr erschreckend in seinen antisemitischen
Ansichten, Kurt SCHREIBMAYER wurde als KZ-Kommandant Höß, mit höchst exponierten
Tonfolgen geplagt, was auch nicht immer alles gut gelang und klang. Auch
der Doktor, Markus BRÜCK, war eine beeindruckend bedrückende Gestalt.
Interessant Melba RAMOS als Jungendfreundin Wanda.
Die
Inszenierung von Markus BOTHE war sehr um die Personenführung bemüht,
und das machte sich auch positiv in den Figuren bemerkbar. Das Bühnenbild
von Robert SCHWEER hätte etwas besser auf die diffizile Geschichte eingehen
können, es war zu neutral, aber funktionell, die Kostüme von Dorothea
KRATZER recht ordentlich.
Leopold
Hager erwies sich als ein sehr umsichtiger Leiter des höchst bemühten
VOLKSOPERNORCHESTERS.
Das
Publikum reagierte zögerlich auf das Werk, feierte aber dann die Künstler
verdientermaßen sehr ausgiebig.
Meiner
Meinung nach wird sich das Werk nicht wirklich etablieren, vor allem wird
es sehr schwierig sein, Künstler zu finden, die sich der Mühe unterziehen
werden, diese Musik und Rollen zu lernen. EH
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