Das
Werk war 1892 mit großem Erfolg in Wien uraufgeführt worden. Oft wurde
„Werther“ seitdem nicht in Wien gegeben. Im Rahmen des Klangbogen gab
es vor drei Jahren eine durchaus interessante Aufführung. Nun aber scheint
das Werk aber allgemein Fuß gefaßt zu haben, dies hat vermutlich auch
damit zu tun, daß eine Riege junger Sänger sich sowohl der Rolle der Charlotte
als auch des Werthers annehmen.
In
Wien hat die neue Inszenierung, das Bühnenbild, Regie und auch wider Erwarten
das Dirigat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Zum einen gab
der alles dominierende Baum, der das Bühnenbild (Peter PABST) total beherrschte
dazu Anlaß, zum Teil die Regie und die Personenführung von Andrei SERBAN
und nicht zuletzt das Dirigat von Philippe JORDAN.
Mir
persönlich gefiel die Idee mit dem riesigen Baum recht gut, denn es kam
der Jahreszeitenwechsel, der in der Oper ja wesentlichen Anteil am Geschehen
hat, auf eine natürliche Art zum Ausdruck. In Detailbereichen war aber
dann das Bühnenbild, das dem Ambiente der fünfziger Jahre nachempfunden
war, der Handlung nicht förderlich, zumal es keine wirklich klare Linie
gab. Man hatte manchmal das Gefühl bei Tennessee Williams zu sein, dann
wieder bei Hitchcock .Irgendwie waren die Requisiten wie der Fernsehapparat,
die Plastikstühle und anderes mehr aus der Epoche nicht dazu angetan,
die Leiden und Qualen des jungen Werthers glaubhaft zu machen.
Charlotte
war in ihren Kostümen (Peter Pabst, Petra REINHARDT) eine Mischung aus
Grace Kelly und der jungen Maryline Monroe, sie wirkte kalt, manipulierend,
frivol und nicht wie eine pflichtbewußte junge Frau, die einem Versprechen
treu bleibend eine Liebe opfert. So war ein gute Idee durch eine nicht
adäquate Weiterführung zerplatzt.
Absolut
unverständlich waren mir allerdings die negative Reaktionen gegenüber
dem jungen Dirigenten Philippe Jordan. Dieser hatte es nämlich sehr gut
verstanden, alles Zuckersüße und Schleppende aus dem Werk raus zu halten,
aber dabei die Atmosphäre nicht zu zerstören. Sehr gefiel mir, wie er
das ORCHESTER zu Pianopassagen anhalten und auch die Sänger auf diese
Linie bringen konnte. Ebenso verstand er es, den Klangkörper dann wieder
voll aufzudrehen und die ganze Kraft einsetzen zu lassen. Dabei vergaß
er aber nie die Sänger.
Die
Sänger selbst waren allesamt gesanglich gut, teilweise sogar ausgezeichnet.
In der Darstellung konnte man aber Kritikpunkte finden. Elina GARANCA,
die junge Mezzosopranistin, ist wirklich ein Glücksfall für die Charlotte
und wird, wenn sie vollends in die Rolle hineingewachsen ist, Geschichte
schreiben. Ihre Stimme ist ideal timbriert, nicht zu hell, nicht zu dunkel,
und sie arbeitet über alle Register mit absoluter Perfektion. Eine Sängerin,
die auch in der Optik erfreut. In der Darstellung ist sie mit dem Regiekonzept
von Andrei Serban mitgegangen, aber da sind einerseits Passagen, die zu
kühl und indifferent sind, andererseits aber ist der Schluß dann höchst
überzeichnet und nicht ziemend. (Den sterbenden, leicht entblößten, verwundeten
Werther körperlich so zu bedrängen, habe ich als absolut nicht passend
empfunden, was meine positive Stimmung zerstörte).
Marcelo
ALVAREZ hat ja die Rolle schon mehrfach gesungen und ist somit stimmlich
mit der Rolle sehr vertraut , was man durchaus in dem sicheren Ausdruck
und der Gesangslinie merkte. Für seine darstellerischen Qualitäten war
das Regiekonzept mit der Verlegung der Szenerie in die fünfziger Jahre
nicht optimal. Eben die besagten Leiden, der Zweifel, die Liebesqualen
waren nicht wirklich präsent. Gerade ein Sänger, der etwas füllig ist,
und dem man einen Schwärmer nicht gleich ansieht, hätte ein anderes Konzept
gebraucht. Da kommt man mit zwei Gesten nicht aus. Er hat zwar in der
Sterbeszene an Darstellungskraft gewonnen, aber das Gesamtbild war nicht
wirklich angerundet.
Adrian
ERÖD als Albert war stimmlich eine gute Wahl, seine Darstellung war mir
zu unterkühlt, emotionslos bis in die Fingerspitzen. Dabei liebt er doch
Charlotte , davon war nichts zu bemerken. Ileana TONCA (Sophie), die mir
anfänglich ein bißchen blaß erschien, gewann im Zuge des Geschehens an
Profil, und gesanglich war die junge Sängerin eine gute Wahl.
Die
weiteren Interpreten Alfred SRAMEK als Le Bailli , Peter JELOSITS als
Schmidt und Marcus PLEZ als Johann sangen und spielten die Rollen auf
höchster Ebene, aber man konnte kein spezielles Profil erkennen.
Der
CHOR war gut und präzise studiert (Ernst DUNSHIRN). Von der musikalischen
Seite her, war der „Werther“ ein höchst erfreulicher Abend, mit der Inszenierung
kann man sich abfinden.(Krise bekommt man keine). Es ergibt sich natürlich
die Frage, wie sieht das Ganze mit einer weniger strahlenden Besetzung
aus? EH
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