Die
Besetzung versprach eine interessante Vorstellung, und der Tenor José
CURA, der in Wien zum ersten Mal in dieser Rolle auftrat, hielt dieses
Versprechen tatsächlich ein.
Stiffelio
wird ja nicht sehr oft gespielt, und es gibt auch wenige Interpretationsvergleiche,
aber wenn man sich mit dem Charakter der Rolle beschäftigt, neigt man
natürlich dazu, dem Priester Sanftmut, Toleranz und Edelmut als Basiseigenschaften
zuzuschreiben. Daß er aber auch eifersüchtig ist, und dies auch zeigen
kann, schon seltener. Nun, José Cura ist schon vom Stimmcharakter kein
sanftmütiger Stiffelio, und so ist seine Darstellung verschiedentlich
etwas vordergründiger, was aber nicht negativ war. Seine stimmliche Gestaltung
hat mich angesprochen, zumal er sehr wohl auch innig und gefühlvoll singen
kann.
Seine
Gemahlin Lina wurde von der Asiatin Hui HE gesungen. Eine prachtvolle,
sehr gut ausgebildete Stimme präsentierte sich dem Zuhörer. Der sehr intensive
Gesang begeisterte das Publikum. Für mich eine weitere neue Stimme im
Ensemble: Johannes WIEDECKE als Jorg, ein kräftiger sonorer Baß, der die
kleine Rolle gut ausfüllte.
Alle
anderen Sänger blieben abgeschlagen. Renato BRUSON als Stankar wurde zwar
sensationell gefeiert, aber abgesehen von einer adäquaten Darstellung
konnte ich wahrlich nichts Sensationelles feststellen. Die stimmliche
Darstellung und Präsenz war in keinem Moment zufrieden stellend. Der Sänger
ist 68 und somit in einem Alter, wo ein Abgang in Würden nicht unüblich
wäre. Großartige Leistungen der Vergangenheit kann man nicht wegleugnen,
aber mit der Erinnerung die Gegenwart verklären ist wohl nicht objektiv.
Der
Raffaelo von Cosmin IFRIM war an diesem Abend leider auch schwach, entweder
die Rolle war nicht entsprechend vorbereitet, oder es war ein gravierende
Indisposition, die man nicht ansagen ließ.
Am
Dirigentenpult stand Marco ARMILIATO, der sich sehr um das ORCHESTER bemüht
hat und auch den Sänger große Hilfestellung leistete. Wäre er nicht gewesen,
wäre der Aufführung sicher nicht die solide Basis beschieden gewesen.
Orkanartiger
Applaus für Lina, Stiffelio (berechtigterweise) und Stankar, der aber
rasch zu Ende ging. „Stiffelio“ ist keine Oper, die eine große Anziehungskraft
ausübt, und daher herrscht auch mangelhafte Kenntnis. EH
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