Eigentlich
hatte ich vor, zunächst irgendwo meinen halben „Ring“ zu komplettieren.
Doch erstens kommt es anders, zweitens ist Mai ein schöner Monat, um in
Wien zu weilen, und drittens hielt ich es einfach nicht länger zu Hause
aus.
Es
muß zunächst gesagt werden, daß dieser „Tristan“ sicher die kürzesten
fünf Stunden meines Lebens waren. Wenn die Musik in so gebündelter Intensität
aus dem Orchestergraben kommt, trauert man buchstäblich jeder Minute nach,
die schon wieder vorbei ist. Man glaubt, mit einem Mal alle Aspekte der
Partitur gleichzeitig zu verstehen.
Aber
zu einem großen Abend gehören auch dementsprechende Sängerleistungen.
Und die fand man durchaus am 20. Mai 2004 zwischen 17 und 22 Uhr an besagtem
Orte.
Wunderbar
sinnerfüllt waren generell die Auftritte von Mihoko FUJIMURA als Brangäne
und von Robert HOLL als König Marke. Hier gewann man einen schlaglichtartigen
Eindruck davon, wie beseelter Gesang und persönlichkeitsstarke Darstellung
eine Aufführung krönen können. Mihoko Fujimura sang mit berührendem Timbre,
besonders in den Rufen, die als Höhepunkt der Aufführung im Gedächtnis
blieben . Zudem ging ihre gemütvolle Ausstrahlung stets zu Herzen. Robert
Holl beeindruckte mit bildschöner, edler Stimme und noblem Auftreten rundum
als König.
Schwerer
tat man sich mit den beiden Protagonisten. Thomas MOSER brachte zwar im
großen Liebesduett den goldenen Schmelz seiner Stimme ein und sang hier
sehr schöne Phrasen. Leider konnte er dieses Klangniveau weder vorher
noch nachher in gleicher Weise erreichen. Ob dies auf bewußte stimmliche
Ökonomie zurückzuführen war, bleibt reine Spekulation. Das Resultat jedenfalls
war über weite Strecken eine überraschend lieblos anmutende Deutung des
Tristan.
Deborah
VOIGT überzeugte vor allem im ersten Akt als höhnische, rachsüchtige,
die Liebe verleugnende Isolde. Hier wirkten der kühle Glanz und die metallische
Präsenz ihrer Stimme ideal. Spätestens im „Liebestod“ mußte man sich allerdings
auch bei ihr eingestehen, daß nun offenbar keine emotionale Bindung der
Sängerin mehr zur Rolle bestand. Die Töne wirkten dort fast zusammenhanglos,
wenn sie auch akustisch unverändert dominant in den Saal drangen. Die
Idee einer liebenden Isolde war in der Interpretation Voigts generell
nur schwer zu erahnen und im Schlußgesang praktisch nicht zu finden.
Der
„Liebestod“ wurde schließlich vom feurig spielenden ORCHESTER aus der
Beinahe-Vergessenheit doch noch in die Ekstase gerettet. Wie Christian
THIELEMANN die enorme Spannung fünf Stunden lang nicht nur durchhielt,
sondern im Laufe des Abends immer wieder in ungeahnter Weise zu steigern
wußte, gehört eigentlich schon in die Kategorie unerklärliche Phänomene.
Gleichzeitig war „Tristan und Isolde“ an diesem Abend nämlich ein leises
Stück, mit Pausen von Weltstillstandsqualität.
Die
eher unterschwellige Inszenierung von Günter KRÄMER verfehlte ihre Wirkung
nicht. Statische Personenführung zahlt sich allerdings wohl nur dann aus,
wenn die Ausführenden einen tiefen Bezug zu ihren Rollen entwickeln, und
diesen dem Publikum vermitteln können. Da das nicht immer der Fall war,
hielt man sich an die herben schwarzen Kostüme, das bedrohlich wachende
Leitelement der Ritterrüstung, die bedrückend schweren Räume als suggestive
Andeutungen des inneren Dramas. Mascha Ernst
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