Viel
ist diskutiert worden über die neue Inszenierung des „fliegenden Holländers“
von Christine MIELITZ an der Wiener Staatsoper, und ich kann die Aufregung
nicht wirklich nachvollziehen. Richtig Provokantes konnte ich nicht entdecken,
abgesehen von der Vergewaltigung der Frauen durch die Matrosen. Vielleicht
liegt das aber auch daran, daß ich mehr damit beschäftigt war, die Anstrengungen
des Stehplatzes zu kompensieren, was ich nicht gewöhnt war.
Jedenfalls
fand ich Mielitz‘ Arbeit nicht unbedingt außergewöhnlich, aber doch sehr
solide, gerade in der Personenführung. Es gelingen ihr immer wieder eindrucksvolle
Bilder, wie z.B. die Projektionen eines roten Raumes, in dem sich der
schwarz gekleidete Holländer bewegt. Auch die Ausgestaltung des Chores
der Mannschaft des Titelhelden und das Spielen mit den Chören (der Chor
der „realen“ Matrosen steht auf der Bühne und müßte eigentlich singen)
und der Chor der „gespenstischen“ Matrosen singt aus dem Off, haben große
Wirkung. Stefan MAYER sorgte für das Bühnenbild und die Kostüme, die sich
gut in das Konzept einfügten.
Die
kurzfristige, krankheitsbedingte Absage Franz Grundheber, bescherte dem
jungen finnischen Baßbariton Juha UUSITALO das Debüt im Haus am Ring in
der Titelpartie. Er nennt eine nicht uninteressante Stimme sein eigen
und steht die Partie auch mit allem Anstand und ohne Abstriche durch;
er zeigte manchmal auch interpretatorisch gute Ansätze, aber so ganz überzeugen
konnte er mich nicht. Ich kann mir aber vorstellen, daß er in ein paar
Jahren ein guter Holländer sein kann – so er sich nicht übernimmt. Das
Material und Talent hat er dazu. Man darf gespannt sein.
Von
ganz anderem Kaliber präsentierte sich Nina STEMME, die mit gut sitzendem
Sopran ein differenziertes (!) Portrait der Senta abliefert und sowohl
im zarten piano als auch im dramatischen forte großartige Effekte erzeugt.
Ich sehe in ihr die große Hoffnung im hochdramatischen Fach! Nur halt
nicht verheizen lassen...
Matti
SALMINEN hat eine der größten, tollsten und modulationsreichsten Stimmen,
die man sich für einen Baß vorstellen kann, und sein Vortrag ist einfach
nur als grandios zu bezeichnen. Sein Daland hat genau das richtige Maß
an Raffsucht und Vaterliebe.
Als
ziemlich enttäuschend stellte sich meine erste Begegnung mit dem aufstrebenden
Torsten KERL (Erik) heraus. Sein kleiner, quakender Tenor hat kaum die
Durchschlagskraft über das Mezzoforte des Orchesters hinauszukommen, und
interpretatorisch empfand ich ihn ebenfalls als Flop - aber wie viele
gute Eriks haben Sie bisher gehört???
John
DICKIE sang den Steuermann souverän, und Margarete HINTERMEIER war die
vollstimmige Mary.
Die
WIENER PHILHARMONIKER sehen sich ja gerne als das beste Orchester der
Welt an, was ich nach den zwei von mir besuchten Aufführungen nicht bestätigen
kann. Ich konnte zwar die Kritik an Seji OZAWAs Leitung in der Premiere
(zu laut und undifferenziert) nicht nachvollziehen, aber wirklich spannend
fand ich sein Dirigat nicht. Es war halt ein solider Arbeitssieg (mit
ein paar kleineren Wacklern und Koordinationsschwächen). Der HAUSCHOR
unter Ernst DUNSHIRN absolvierte seinen Part souverän. WFS
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