Am
23.2.2003 starb Marcel Prawy. Unerwartet. So wurden vor der Aufführung
von „La Favorite“ seitens Direktor Ion Holender ein paar Worte des Gedenkens
gesprochen, und die Wiener Philharmoniker ehrten, auf ihre Weise, musikalisch
den Verstorbenen.
Marcel
Prawy war in Österreich bekannt wie ein „bunter Hund“, er war aber auch
weit über die Grenzen unseres Landes, seiner Heimat, geschätzt, denn seine
bedingungslose Hingabe zum Medium Oper waren einzigartig. Sein Wissen
über Komponisten, Sänger, Aufführungsdaten, Anekdoten - ob wahr oder erfunden
- war weit üppiger als jedes Lexikon.
Marcel
Prawy verstarb im 92. Lebensjahr, war bis zuletzt von einer geistigen
Frische, die man neidvoll zur Kenntnis nehmen mußte, und noch immer voller
Pläne, die nun nicht mehr realisiert werden können.
Er
hinterläßt eine unendliche Sammlung an Dokumenten, an Tonträger der diversesten
Art, aber er hinterläßt auch eine Lücke, denn es gibt keinen Nachfolger,
keine Frau, keinen Mann, der in ähnlicher Weise Wissen und Freude am Medium
Oper vermitteln kann. Vielleicht findet zumindest jetzt jemand den Mut,
sein Wissen weiter zu geben, seine Liebe zur Oper, zur Musik öffentlich
auszutragen und zu vermitteln, Begeisterung zu wecken, wie dies Marcel
Prawy machte. Er hatte viele Freunde, egal ob das Interpreten , Dirigenten
, Komponisten waren. Er war immer geschätzt und sehr viele Menschen trauern
jetzt um ihn. Ob die Leere, die er hinterläßt, jemals geschlossen werden
kann wird die Zukunft weisen.
Daß
es nach diesem stillen Gedenken schwer fällt, zur Tagessordnung überzugehen,
dieses Gefühl hatte ich den ganzen Abend über. Das ORCHESTER hörte sich
getragener an, als es dem Werk wirklich zuträglich war. Zugegeben, das
erste Bild spielt im Kloster, ist also gar nicht sehr dynamisch, dennoch,
ich erwartete mir mehr an Lebendigkeit.
Gut,
das lag auch vielleicht an der Inszenierung von John DEW, die eigentlich
KEINE war, und der Geschichte, die einfach kompliziert gestrickt ist wie
die meisten Opernlibretti aus der Belcanto-Ära. Man war also wieder einmal
mehr auf die eigene Phantasie angewiesen und die Gestaltungskraft der
Sänger.
Kalt
das Bühnenbild, eine riesige Krone oder dominierende Kreuze von Thomas
GRUBER, das wie alle Bühnenbilder der letzten Jahre, aus einer großen
schönen Opernbühne einen Guckkasten macht, wo die Sänger um Bewegungsfreiheit
und Aktionsradius wie in einer Arena kämpfen müssen. Dies bewirkt dann
meist Statik bei den Interpreten.
Nachdem
ein gewaltiger optischer Zeitsprung aufgezwungen wird, sind die Kostüme
von José-Manuel VAZQUEZ undefinierbar positioniert. Vielleicht eine elegante
Zwischenkriegsmode? Jedenfalls packte mich wieder einmal Unverständnis
dem Umstand gegenüber, daß man den Sängern Kostüme anmißt, die eigentlich
nicht passen und unvorteilhaft sind. Wieso kann man die Darsteller nicht
vorteilhaft präsentieren, ist das dann ein Makel?
Obwohl
die Namen der Besetzungsliste Erwartungen sprießen ließen, wurden diese
nicht erfüllt: Violetta URMANA singt die Rolle der Leonor „brav“, aber
hat kein klangliches oder darstellerisches Charisma. Ich konnte mich des
Eindrucks nicht erwehren, daß ihre Ausflüge in das Sopranfach dem Mezzo
Klangfarbe weggenommen haben.
Giuseppe
SABBATINI der unglückliche Liebhaber und Ehemann Fernand hat sich an die
Sangesart der Donizetti-Ära gehalten und die hohen Töne mit Kopfstimme
gesungen. Nur nicht sehr erfolgreich. In der ersten Arie höchst unsauber,
in der großen Arie des 4 Aktes gepreßt. Und die glühende Liebe war auch
nur mangelhaft zu spüren, da er zu sehr bedacht war, die Tonproduktion
auf Reihe zu halten. Die alte Sangesart mit veristischer Bruststimme,
wie in den fünfziger und sechziger Jahren, war mir persönlich weitaus
lieber.
Wenn
man von einer zufrieden stellenden Leistung sprechen könnte, dann noch
am ehesten bei Carlos ALVAREZ als Roi Alphonse. Seine nach wie vor schöne,
kräftige Stimme wäre mehr als prädestiniert für den glühenden Liebhaber,
der sogar der Kirche und der Staatsräson trotzt, um seine Leonor behalten
zu können, aber leider ist sein Ausdruck nicht sehr leidenschaftlich.
Sein Gesang hat eine perfekte Linie, aber ist nicht sprühend. Ich habe
neben Idealinterpreten dieser Rolle auch Beispiele von Sängern gehört,
die bei weitem nicht an die Schönheit des Materials Alvarez‘ herankommen,
die aber eine Ausstrahlung haben, der man sich nicht entziehen kann. Ich
nenne bewußt keine vergleichenden Namen, denn die Frage der Stimmschönheit
ist eine sehr persönliche Wahrnehmung.
Giacomo
PRESTIA als Abt Balthazar setzt seinen rauen Baß sehr dominant ein, was
nicht notwendig wäre. Vor allem in den beiden Klosterszenen selbst wäre
etwas mehr an Weichheit gefragt gewesen. Die kleine Rolle der Ines wurde
von Genia KÜHMEIER gesungen, einer Stipendiatin des Karajan-Centers, die
in dieser Rolle sehr erfolgreich an der Wiener Staatsoper debütierte.
Eine Stimme die ins Ohr geht, und die man sich merken sollte. Cosmin IFRIM
war ein Offizier des Königs ohne viel Eindruck. zu hinterlassen.
Fabio
LUISI dirigierte das Orchester etwas verhalten, was andererseits den Sängern
zu Gute kam. Ein Mehr an Dynamik wäre nicht schlecht gewesen.
In
der nächsten Staffel werde ich mich wieder einfinden. Mag sein, daß mein
nächster Eindruck ein gänzlicher anderer wird. Alles ist möglich! EH
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