Da
der Verismus in Frankreich sehr vernachlässigt wird und praktisch ausgestorben
zu sein scheint, ist der aus Paris kommende Opernfreund natürlich nicht
böse auch etwas italienisches „Schmalz“ zu hören. Zwar ist Giordanos großteils
deklamatorischer Stil mit Puccinis lyrischen Höhenflügen nicht wirklich
vergleichbar, aber bei „Andrea Chénier“ muß man doch oft an „Tosca“ denken,
und für Johnsons große Arie in „Fanciulla del West“ hat sich Puccini das
Hauptmotiv des letzten Liebesduetts aus „Andrea Chénier“ geholt.
Die
bereits mehrere Jahre alte Inszenierung von Otto SCHENK ist bereits bei
der 79. Aufführung. Wenn Regie von Musik und Handlung geleitet wird, bleibt
eine solche Produktion trotz der Jahre völlig überzeugend und packend.
Das zeigt halt, daß eine lockere und „klassische“ Regiearbeit eine Wiederaufnahme
unbeschadet übersteht. Zumal die schönen und passenden Bühnenbilder von
Rolf GLITTENBERG nicht verkommen und die Kostüme von Milena CANONERO eine
Augenweide sind.
Dafür
war das Dirigat Adam FISCHERs kein Ohrenschmaus. Er hat dramatische Spannung
mit Klamauk und Orchesterkrach verwechselt. Bisweilen gingen selbst die
großen Chorensembles in den Wogen des ORCHESTERs unter, von den – hochkarätigen
– Solisten ganz zu schweigen. Subtilität, rubati oder italianità fehlten
völlig. Ein bißchen Schmalz schadet dieser Musik aber schon gar nicht!
Gibt es keinen passenden italienischen Dirigenten in Wien? Dafür war die
Einstudierung des CHORs durch Ernst DUNSHIRN vorbildlich.
Der
Abend war mit ausgezeichneten Sängern besetzt. Als Andrea Chénier war
Nicola MARTINUCCI hörbar indisponiert (schon im „Improviso“ des 1. Akts
bemerkbar). Er besitzt aber genügend Reserven und konnte so einige prächtige
Töne zur großen Freude des Publikums zu Gehör bringen, wie das fulminante
„Si, fu soldato“ der Gerichtsszene. Violeta URMANA als Maddalena de Coigny
war in prächtiger Form. Obwohl ihre immer voller werdende Stimme mehr
und mehr ins hochdramatische Sopranfach tendiert, beeinträchtigt das aber
nicht die Flüssigkeit der Kantilene. „La mamma morta“ war von ganz außergewöhnlicher
Ausdruckskraft.
Als
Gérard stand Lado ATANELI der Bühne. Er spielte den idealistischen, intelligenten
Revoluzzer, der mit Schrecken sieht, wie die Revolution ihre Kinder frißt,
mit großer Überzeugung und stimmlich absolut magistral. Sein Prachtbariton
dominierte Chor und – bisweilen - sogar das Orchester. Umwerfend! Herwig
PECORARO stach als zynischer „Incroyable“ mit seinem gut geführten Tenor
unter den Comprimari hervor. Weiters war Boaz DANIEL ein sehr besorgter,
stimmkräftiger Roucher, Margareta HINTERMEIER war überzeugend als alte
Gräfin Coigny, Mihaela UNGUREANU eine erschütternde Madelon, Elina GARANCA
eine liebenswerte Bersi.
Hans
Peter Kammerer (Fléville), Alfred SRAMEK (Mathieu), Peter JELOSITS (Abbé),
Peter KÖVES (Haushofmeister und Dumas) rundeten die gute Besetzung ab.
Sehr
viel Applaus und Blumen für die drei Hauptdarsteller. wig.
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