Mit
dieser Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ hat die Wiener Oper einen
Bock geschossen. So eindrucksvoll die musikalische Seite war, umso lächerlicher
war die szenische Darstellung.
Günther
KRÄMER, sein Bühnenbildner Gisbert JÄKEL und der Kostümemacher Falk BAUER
haben weder von Wagner, noch seinem Werk den blassesten Tau. Ich habe
wahrlich nichts gegen „Transpositionen“ in Zeit und Raum. Aber wenn eine
Regiearbeit nur schockieren will, ist es besser eine konzertante Aufführung
zu machen. Das war während des Liebesduetts im 2. Akt auch de facto der
Fall: Tristan und Isolde stehen in zwei Meter Abstand von einander an
der Rampe und singen das Liebesduett „Oh sink‘ hernieder Nacht der Liebe“.
Krämer und Co. haben den Coïtus ad distantiam erfunden!
Die
sehr häßlichen, durchwegs schwarzen, Kostüme sind in jedem Laden einer
Kaufgalerie zu finden. Marke tritt im Anzug mit Stehkragen auf und kriegt
nach seinem Monolog einen Kreislaufkollaps. Isolde trägt ein riesiges
schwarzes Abendkleid mit Schleppe, das für Tosca recht geeignet wäre.
Das Schwert ist aus dem 13. Jahrhundert. Wie überhaupt quer durch den
Blumengarten der Jahrhunderte gehopst wird. Im 1. Akt besteht das Bühnenbild
aus einem gläsernen Bankgebäude mit einer Brücke darüber (zwischen Bankhäusern
hat man das heute). Der tote Morold liegt in seiner mittelalterlichen
Rüstung vorne rechts, im 2. Akt stechen aus der Rüstung Flammen dreier
Bunsenbrenner heraus; das ist die „Leuchte“, die Brangäne mit ihrem Kleid
löscht (weshalb dreht sie nicht einfach den Gashahn ab? Auf einen Blödsinn
mehr kommt’s auch nicht mehr an!).
Im
3. Akt sitzt Tristan an einem Tisch und sackt am Schluß seiner großen
Szene zusammen, worauf sich dann Isolde dazu setzt, um den Liebestod zu
singen. Eine der absurdesten Ideen ist wohl, Melot zu Beginn des 2. Akts
radschlagend auftreten zu lassen, der dann mit der ungeduldig wartenden
Isolde zu schäkern beginnt! Ein weiterer Geniestreich findet sich im 1.
Akt, wo zwei Kristallgläser (aus der Gründerzeit) auf dem Tisch stehen.
Im entscheidenden Augenblick wirft sich Brangäne auf eines der Gläser
und es um. Eine einzige Katastrophe!
Es
ist immer weniger verständlich, weshalb sich Dirigenten und Sänger solchen
Humbug gefallen lassen. Das selbe Team hat ja bereits mehrmals gewütet,
die vorjährige „Ariadne auf Naxos“ in Lyon und Paris war ja auch schon
eine solche Zumutung.
Christian
THIELEMANN dirigierte eine ungewöhnlich dichte Aufführung. Bereits das
Vorspiel war von unglaublicher Intensität, die Steigerung war ein „Rasen
und Drängen“, wie man es schon lange nicht erlebt hat. Und er hielt diese
Spannung fünf Stunden lang durch! Hinreißend! Es besteht kein Zweifel,
Thielemann ist der Wagner-Dirigent der nächsten Jahre.
Er
hatte als Titelhelden Deborah VOIGT als Isolde und Thomas MOSER als Tristan.
Besonders Voigt stellte eine intensive, stimmlich und darstellerisch dominierende
Isolde auf die Bühne, von einem strahlenden Liebestod gekrönt. Bei Moser
ist nicht sicher, ob er diese mörderische Rolle singen soll. Sicher nicht
zu oft. Er sang und spielte zwar am Ende den halluzinierenden Tristan
mit großer Kraft, aber er war wirklich am Ende.
Eine
sehr ansprechende Brangäne stellte Petra LANG dar, stimmlich völlig überzeugend.
Um mit Tristan und Kurwenal ins Gespräch zu kommen, muß sie aber im schwarzem
Abendkleid auf einer Notleiter zur Brücke turnen (sie kommt nicht sehr
weit!). Sehr zufriedenstellend war Peter WEBER als burschikoser Kurwenal.
Robert
HOLL war ein weiser, aber zerbrechlicher König Marke, der mit prachtvoller
Stimme seinen Monolog sang, bevor er umklappte. Markus NIEMINEN als Melot
hat zwar nicht viel zu singen, aber ist ein guter Turner. Michael ROIDER
sang sehr schön und subtil den Hirten, John DICKIE den jungen Seemann
und Iu SANG SIM den Steuermann.
Das
befremdete Publikum hielt sich an die Musik und feierte Thielemann und
die Sänger stürmisch. wig.
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