DARF
MAN DAS? Eine Aufführung verlassen?
Was
erwartet ein Opernfan, ein Opernnarr? Was trifft man an? Eines sind Umbesetzungen,
diesen ist man ausgeliefert, man kann das nicht vermeiden, das nimmt man
auch hin. Dann und wann hat man ja dabei auch Glück und man zieht das
große Umbesetzungslos. Das andere ist der Umstand, daß man mittelmäßige
bis schlechte Besetzungen durch einen oder zwei Stars oder ein neues Talent
aufbessert, und Leute so neugierig macht. So
begab es sich bei eben jenem Barbier.
Der
Barbier Leo NUCCI ein lang gedienter Sänger, der die Rolle dank seiner
Routine und seiner Technik gut meistert. Nur ich vertrete bei allen Sängern,
so gut sie sein mögen oder gewesen sind, man muß wissen , wann man mit
dieser oder jener Rolle aufhören sollte. Leo Nuccis Zeit als Barbiere
ist für mich eigentlich vorbei. Dies war ein Star.
Das
neue Talent, das mich neugierig gemacht hatte, um überhaupt die Aufführung
zu besuchen, ist Viveca GENAUX; alles, was ich im Radio bzw. von Platten
gehört hatte, fand ich interessant. Der erste Akt als Durchlauf hat mir
gezeigt, daß sie über eine ausgezeichnete Technik verfügt, die Stimme
gut geführt ist. Von der Stimme selbst war ich in dem großen Haus etwas
enttäuscht. Sie füllte es nicht. Die Rolle selbst gestaltete sie ohne
großen Einfallsreichtum. Also fiel diese erste Begegnung nicht so befriedigend
aus.
Die
Umbesetzung … Alfred Sramek, als Bartolo angesetzt, wurde durch Renato
GIROLAMI ersetzt. An diesem Sänger hatte ich schon vor vielen Jahren,
als er noch öfters in Wien gesungen hat, (auch den Bartolo) keinen Gefallen
finden können. Die Stimme ist wenig interessant, das Spiel stets um fünf
Nuancen zu dick aufgetragen, der gewünschte Lacher endete bei mir immer
als gequälte Grimasse. Also kein Unbekannter, die Leistung konnte auch
unter zeitlichen Anstand nicht überzeugen.
Robert
NAGY als Graf Almaviva ein Tenor mit tollen Spitzentönen, der sich aber
mit Rossini, den Koloraturen und in der Mittellage plagte. Es fehlte ihm
die beschwingte Leichtigkeit sowohl im Gesang und noch mehr im Spiel.
Basilio Franz HAWLATA kämpfte mit den Höhen, bewährte sich aber besser,
als ich dachte; nur konnte er deswegen weder den Abend retten, noch ankurbeln.
Diese
Fadesse und Mittelmäßigkeit hat mich veranlaßt, die Pause zu nützen, und
das edle Haus zu verlassen. Man
soll zwar die Hoffnung nicht aufgeben, daß es besser werden könnte, aber
andererseits wenn die Vorzeichen schon so eindeutig sind, ist es wohl
doch angebracht, daß man für sich selbst eine Entscheidung trifft. Ich
habe sie getroffen.
Und
dies hat mich wieder einmal darüber nachdenklich gestimmt, warum das Aufführungsniveau,
das angeblich so gut ist, auf mich so unterschiedlich wirkt und eher einen
betrüblichen Eindruck denn einen beglückenden hinterläßt. Entweder ist
der Grund dafür in meiner langjährigen Opernerfahrung zu finden/zu suchen
und meiner Verklärung der Erinnerung, oder das Niveau ist tatsächlich
gesunken, nur kann dies nicht wirklich bewiesen werden, weil man die Vergangenheit
nicht wieder lebendig machen kann. Höre ich aber dann alte Aufnahmen,
finde ich doch die Bestätigung meiner Live-Eindrücke und muß dann feststellen,
daß die heutigen Aufführungen oft sehr mangelhaft sind.
Es
sind nicht die ein, zwei Highlights pro Saison, die Oper machen und mit
welchen sich die Direktoren schmücken, es sind die vielen Repertoirevorstellungen,
und wenn die nicht stimmen, dann ist es schlecht um das Genre bestellt.
Das Repertoire wird immer mehr verzerrt. EH
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