WELCH
EIN STIMMFEST! Meine Erwartungen waren ja durch die Lobeshymnen der Presse
nach der Premiere und einige Berichte aus dem Freundeskreis sehr hoch
gesetzt und sind diesmal auch nicht enttäuscht worden. Ich kann, muß mich
dem allgemeinen Lobgesang nur anschließen.
Marc
Arturo MARELLI für Inszenierung und Bühnenbild verantwortlich, hat dieses
Mal eine pfiffige, bunte, schelmische Interpretation geliefert. Lediglich
die Waldszene war mir zu spartanisch angelegt, und die Romantik ging hier
leider verloren. Die einheitlichen Zaubererkostüme erinnerten noch dazu
stark an Ku-Klux-Klan, also etwas eigenartig. Die Sänger sind sehr gut
geführt, und deren Spielfreude so geweckt worden, daß der ganze Abend
voller Überraschungen steckte.
Seit
langem habe ich kein so perfektes Ensemble erlebt. Dennoch ragten zwei
Sänger aus dem ohnedies schon sehr hohen Niveau nochmals heraus. Zu einem
war dies der Falstaff Bryn TERFEL. Ich kannte ihn in dieser Rolle bereits
von der Londoner Aufführung 2000, die auf DVD erhältlich ist, und in diesen
drei Jahren und einigen „Falstaff“-Aufführungen mehr, hat er das Rollenverständnis
noch enorm vertieft und verfeinert. Er spielt und singt den ganzen Abend
auf höchster Ebene. Er gleitet nie in Überzeichnung ab, was ich früher
schon mehrmals erlebt hatte, und seine bittere Enttäuschung über seinen
Mißerfolg und den Ausflug in die Themse war so berührend, daß ein ausgereifter
Bühnenschauspieler dies nicht besser bringen hätte können. Seine Stimme
ist sicher, fulminant, dann wieder sanft und seine Diktion eine ganz außerordentlich
präzise.
Und
ihm steht Mr. Ford alias Carlos ALVAREZ in nichts nach. Sein kernige Stimme
setzt er differenziert ein, rast vor Eifersucht, um sich dann schnell
wieder zurückzunehmen und sanft und liebevoll zu werden. Er würde sich
ja sonst verraten, und alles wäre vergebens. Ein ganz tolles Zusammenspiel
mit Falstaff in der Szene, wo er diesen „engagiert“, und brillant seine
Arie des eifersüchtigen Ehemannes.
Ich
bleibe gleich bei den anderen männlichen Interpreten. Rainer TROST, schönstimmig,
nett aussehend, mit klaren Höhen ist ein Fenton zum Verlieben. Die beiden
Handlanger von Falstaff Bardolfo und Pistola Herwig PECCORARO und Alfred
SRAMEK. Beide Künstler sind das, was man Stützen des Hauses nennt. Beide
stets mit vollen Einsatz auf der Bühne und werden oft nicht entsprechend
beachtet. Falstaffs Spießgesellen werden auch zum optischen Spiegelbild
des Herren gemacht und sind köstlich präsent - eine erste Besetzung. Der
letzte im Bunde Michael ROIDER als Dr. Cajus, mit frischer Stimme, ein
Schatten von Ford, damit dieser ihm ja nicht wortbrüchig werde und ihm
Nanettas Hand gewiß bleibt. Und doch er bleibt auf der Strecke. All dies
ist gut dargestellt.
Das
Damen Quartett wurde stimmlich angeführt von Mrs. Quickley alias Jane
HENSCHEL; der weibliche Falstaff zieht auch gerne ihre Fäden. Ihr Alt
ist zwar nicht ganz so profund, wie manche ihrer Vorgängerinnen, aber
sie spielt so köstlich, daß man dieses kleine Manko - oder vielleicht
auch nur persönliche Vorstellung - gerne in Kauf nimmt. Krassimira STOYANOVA
(Mrs. Alice Ford) als jene Dame, die sozusagen Falstaff liebestoll und
den Ehemann vor Eifersucht rasen läßt, singt sehr differenziert und läßt
der Koketterie freien Lauf.
Nanetta
und Meg Page sind bereits nachbesetzt. Nanetta Bori KESZEI hat ein angenehme,
gut geführte Stimme und ist auch optisch ein nettes Mädchen zum Verlieben.
Meg Pag übernahm Nadia KRASTEVA und debütierte an diesem Abend in der
Rolle in Wien. Ebenfalls eine attraktive Erscheinung, angenehme Stimme
und wie alle anderen Interpreten mit größter Freude auf der Bühne.
Fabio
LUISI am Pult führte das ORCHESTER gut und war den Sängern ein guter Partner.
Die Musik perlte knappe drei Stunden ungetrübt, wurde nie langweilig,
und dies obwohl das Alterswerk Verdis ja eigentlich keine richtigen großen
Arien hat. Man bedauerte sogar, daß der Vorhang zufiel. Fast hätte man
auch noch einen zweiten Durchgang ein BIS gewünscht. Ein wohl seltener
Wunsch, wenn nicht sogar höchst ungewöhnlich. Aber auch das ist möglich.
EH
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