Die
Neuinszenierung an der Volksoper im März 2001 hat aufgrund der damaligen
recht positiven Berichte meine Neugierde geweckt, zumal es schien, daß
neue Wege gegangen wurden, ohne stark an den Grundfesten des Werkes selbst
zu rütteln. Und so ist auch. Natürlich gibt es ganz persönliche Einwände,
aber schließlich gibt es auch unterschiedliche Geschmäcker.
Das
Bühnenbild von Werner HUTTERLI ist einfach zu handhaben und neutral gehalten.
Der Glasturm und Palast des Bassa Selim, der Zentrum des Geschehens ist,
hat meinen Geschmack nicht so getroffen hat, wie auch die Kostüme von
Ingrid ERB; Die Damen in der Kleidung der endenden fünfziger Jahre (Konstanze
als Audrey Hepburn gestylt), die Herren im Straßenanzug, Osmin mit Fellhose
eines Gauchos aus der Pampa. Einzig und alleine Bassa Selim kam in einem
attraktiven roten und extravaganten Rockensemble gut zur Geltung. Regisseur
Markus IMHOOF hat sich voll und ganz auf die Beziehung Konstanze-Bassa
Selim fixiert, alle anderen Figuren eigentlich stiefmütterlich behandelt,
was sie blaß erscheinen ließ. Mag auch sein, daß der Zahn der Zeit mit
einigen Umbesetzungen hier auch etwas dazu beigetragen hatte.
Die
musikalische Seite war teilweise sehr gut, teilweise nur Durchschnitt.
Wirklich homogene Aufführungen gibt es heute tatsächlich nur mehr sehr
selten. Die positiven Eindrücke hinterließen Maurizio MURARO als Osmin,
Nicholas MONU als Bassa Selim und Oliver RINGELHAHN als Pedrillo.
Maurizio
Muraro setzt seinen herrlichen Baß gekonnt ein, zeigt Spielfreudigkeit
und verbreitet Humor, ohne kitschig zu wirken. Nicholas Monu, ein Nigerianer,
der in England seine Erfahrung als Schauspieler gemacht hat und ein sehr
gutes Gefühl für die Rolle der großen Gefühle, Liebe und Edelmut mitbringt.
Die Sprache einwandfrei, der Ausdruck differenziert und die Optik eine
Freude. Somit steht eine Figur auf der Bühne, die große Sympathien weckt,
die eigentlich die Frage aufwirft, was hat Belmonte, daß Konstanze ihm
die Treue hält, daß sie dem Zauber des Neuen, des Fremden nicht vollends
erliegt. Einen starken Hang zu ihrem Entführer zeigt sich in Blicken und
Gesten, sie setzt auch keinen Widerstand gegen seine Annäherungsversuche,
sie geht sogar auf ihn zu, fast elektrisiert, was befremdet.
Edith
Lienbacher ist die Konstanze; stimmlich an dem Abend nicht in absoluter
Topverfassung, ist sie aber ein kluge Sängerin, die Schwächen gut kompensieren
kann. In den lyrischen Passagen gab es ja keine Probleme, sogar schöne
Momente. Yoon Jeong SIN, die Blonde, war wortundeutlich und unharmonisch
im Gesang. Wie man in einer Deutsch gesungenen Mozart-Oper so wenige Wert
auf Textdeutlichkeit legen kann, ist mir leider nicht verständlich.
Pedrillo
Oliver RINGELHAHN konnte besser punkten, zeigte Sicherheit auf ganzer
Linie und große Spielfreudigkeit. Stephan CHAUNDRY als Belmonte verfügte
eine passable Stimmführung, die Stimme selbst ist aber ohne Charakter,
und seine Figur blieb blaß. Leider war auch er mit dem Text sehr oberflächlich
und ungenau. Es wundert mich also nicht, daß Konstanze mit dem wesentlich
ausdruckstärkeren Bassa Selim sympathisierte und kokettierte. Immerhin
eine interessante Variante, wenn auch, wie gesagt ungewöhnlich.
Alfred
ESCHWÉ geleitete das ORCHESTER DER VOLKSOPER WIEN sicher durch Mozarts
Partitur, allerdings nicht besonders akzentuiert.
In
der Oper kommt es sehr viel auf Stimmen und Gesangharmonie an. Mich verwundert
es neuerdings aber immer öfter, daß gerade diesem Punkt so wenig Aufmerksamkeit
gewidmet wird. Das ist bedauerlich, es kommt auch immer seltener zu homogenen
Aufführungen, und das ist schade.
Es
war von der Inszenierung her ein interessanter Opernabend, gesanglich
hätte er jedoch durchaus besser ausfallen können. EH
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