Nach
dem positiven Erlebnis des "Don Quichotte" am 30. Juli ging es leider
nicht so weiter. "La Bohème" war samt und sonders enttäuschend.
Es
begann schon damit , daß die erste Szene nur an der Rampe spielte , was
nicht gerade imponierend war, und dann öffnete sich der Pseudovorhang,
und was sieht man? Eine Würfelbühne mit Würfelwand, bei deren Anblick
ich mir dachte, nicht schon wieder! Der "Werther" im Jahre 2000 hatte
nur unwesentlich anders ausgesehen, und die weiteren Verwandlungen zeigten
diese "Wahlverwandtschaften" ziemlich deutlich. Aber auch kein Wunder
ist doch der Regisseur Guy JOOSTEN, die gleiche Person und hat seine Vorstellungen
dem Bühnenbildner Johannes LEIACKER nahe gebracht. Und was sollten die
vielen Stühle, mal schwebend, mal ruhend? Was sollte das ständige Besteigen
der Tische aller Beteiligten im ersten Akt? Würde man nicht mindestens
Lokalverbot bekommen, wenn man plötzlich auf den Tisch steigt und eine
Rede hält? Die Aufzählung von Absurditäten kann beliebig fortgesetzt werden,
aber da tritt dann wieder der Fall ein, daß man der Regie viel zu viel
Aufmerksamkeit schenkt.
Die
Kostüme von Jorge JARA sind von einer seltenen Geschmacklosigkeit gewesen
und sehr phantasielos. Wenn ich in der Kärntnerstraße die diversen Modeketten
besuche, komme ich sicher zu schickeren Sachen. Ich verstehe auch nicht,
daß man nicht mehr auf den Typus der Interpreten eingehen und Kostüme
schaffen kann, die das Auge erfreuen. Ich habe auch eine starke Abneigung
gegen Bühnenkostüme, die so aussehen, als hätten sie die Leute von nebenan
getragen und verborgen sie jetzt mal gerade. Bühne ist doch Phantasie,
Bühne
ist Eintauchen in eine andere Welt, und das vermisse ich sehr oft, denn
Dinge schlicht ins Heutige übertragen ist für mich nicht wirklich Phantasie.
Das RADIO SYMPHONIE ORCHESTER unter Marco GUIDARARINI war auch nicht so
inspiriert wie bei Massenet, sondern leider ziemlich derb, aber die Buhrufe
für den Dirigenten waren unangebracht, da hatte ich schon wesentlich schlechtere
Interpretationen gehört, die bejubelt wurden.
Auch
die Sängertruppe war nicht so, daß man zumindest hier einen echten Ausgleich
hätte finden können. Wirklich schade! Werke wie dieses müssen unbedingt
von einer höchst homogenen Sängerriege aufgeführt werden. Stimmen müssen
gut zueinander passen und sollten echt ausgereift sein. Dennoch gab es
einige recht gute Leistungen.
Katja
LYTTING als Musette konnte neben ihrem kräftigen und gut geführten Mezzo
auch eine gute Rollengestaltung einbringen, Juanita LASCARO als Mimi hielt
da nicht ganz mit, sie übersteuerte mit der Stimme oft, und so war nicht
alles ganz glaubhaft, aber doch noch erfreulich.
Mit
den männlichen Interpreten hatte ich so meine liebe Not. Der Tenor Mikhail
DAVIDOFF ließ mich den sonst von mir nicht sehr geschätzten Franco Bonisolli
auf der Aufnahme des Werks stark vermissen. Sein Marcello kämpfte stimmlich
an allen Ecken und Enden mit der Rolle. Ganz nett klang das Timbre von
Vittorio VITELLI (Rodolfo), aber als Liebhaber ist er ein Eisschrank.
Schaunard
von Urban MALMBERG klang sehr ungehobelt, Coline/Visconte (Paolo Luis
LEDESMA) füllt mit schönem Material die kleinen Rollen recht gut aus.
Anthony MEE (Gaudenzio/Durand), Adrineh SIMONIAN (Eufemia) und Steven
GALLOP (Berbemuche) ergänzten das Team.
Das
Fest im 2. Akt wurde mit Tänzern angereichert, man konnte teilweise schmunzeln,
anderes wirkte echt peinlich.
Ich
glaube nicht, daß es allzu bald eine Gelegenheit geben wird, dieses Werk
zu sehen und zu hören, daher bin ich froh, daß ich die Vorstellung erleben
konnte, andererseits hatte ich wesentlich höhere Erwartungen, die keine
Erfüllung gefunden haben.
Eine
zwingende Erkenntnis hat sich aber aus den beiden Abenden selten gespielter
Opern ergeben. Bei solchen Werken, die das Publikum nicht offen annimmt,
müßten bekannte Sänger, große Namen als Sympathieträger eingesetzt werden.
Dann entsteht auch eine Bereitschaft, sich weiter mit den Werken zu beschäftigen,
und dann ist es auch für junge Sänger leichter, sich in solchen Werken
zu präsentieren. EH
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