Im
gut besuchten, aber nicht ausverkauften großen Saal des Musikvereins bestritt
José Cura anläßlich einer Deutschlandtournee auch einen Arienabend in
Wien. Vom Programm waren Arien von Puccini, Verdi und Leoncavallo angesagt,
und José Cura hat nach der charmanten Begrüßung "es freut mich wieder
in Wien zu sein." bereits das Publikum auf seiner Seite.
Den
Abend beginnt er am Dirigentenpult der Mährischen Philharmonie, um sich
alsdann als Sänger zu präsentieren. "Fanciulla del West", "Madame Butterfly",
die beiden Arien aus "Manon" und "Tosca" bildeten den ersten Teil. José
Cura sang alle Arien mit vollem Einsatz seiner schönen Stimme und sehr
höhensicher. Piano oder Mezzavoce standen hinten an, seine Stärke die
Naturstimme.
Verdi
und Leoncavallo kommen diesem Stil weit mehr entgegen und haben das Publikum
auch mehr überzeugt. Sein "Vesti la Giubba" aus "Bajazzo" war beeindruckend,
intensiv, urwüchsig. Auf der Bühne bei voller Aktion muß dies noch weit
mehr zum Ausdruck kommen (ein Problem muß es aber wohl geben: Wie kann
verständlich gemacht werden, daß Nedda diesen Canio verlassen will? Der
Bariton ist wohl noch nicht geboren).
Die
Zugaben noch einmal "Manon", ein spanisches Sonett mit Harfenbegleitung
und hier zeigte sich, daß José Cura auch anders kann, wenn er will! Der
Vortrag war gefühlvoll, die subtile Phrasierung unterstützt von Piani.
Das Publikum ließ sich aber dann wieder von dem effektvoll gesungenen
"Nessun dorma" mehr beeindrucken.
So
weit zum Gesanglichen; es gab aber auch noch den Dirigenten und Entertainer
Cura an diesem Abend. Cura als Dirigent vermochte, im Gegensatz zum Kollegen
des Abends, José de Eusebio, der Mährischen Philharmonie bescheidene Klangfarbe
zu entlocken, als er diese in Zwischenstücken selbst betreute. Die Einsätze
sind präzise und werden auch angenommen. Mal dirigierte er mit, mal ohne
Stock und auch mit echter Zeichensprache ging er nicht dezent um.
Der
Entertainer Cura machte aus einem sonst üblichen Stehkonzert, eine Action
Comedy. Er benützte die ganze Bühne, scheute sich nicht mal, ganz links,
dann wieder ganz rechts zu singen, sich auf die Stufen zu setzen, so daß
alle jene im Publikum das Nachsehen hatten, welche nicht wirklich in der
Mitte oder ganz vorne saßen. Durchaus für Amüsement sorgte, sofern man
dies sehen konnte, der Blick der Cellistin, die aufgrund ihrer Positionierung,
von Cura mit freundlichem Handauflegen auf der Schulter bedacht worden
ist. Eine Viper vor dem Biß muß einen durchaus freundliche Blick abgeben
im Vergleich zu jenem, den eben diese Cellistin Cura zuwarf.
Um
der "Bajazzo"-Arie mehr Effekt zu geben, kam er im weißen Hemd auf die
Bühne und sang am Boden sitzend. José Cura ist in der Opernszene ein bunter
Vogel, beschreitet neue Wege, das heißt aber nicht, daß er kein seriöser
Künstler ist. Er ist eben anders, und das macht auch seinen speziellen
Reiz aus, ist aber auch der Grund für Ablehnung von vielen Opernfans.
Ein Sänger, der bedingungslos akzeptiert wird, ist er nicht. Mich hat
die Stimme aber schon angesprochen, als er noch nicht so gepuscht und
vermarktet wurde, und er gefällt nach wie vor. In der einen oder anderen
Rolle wird man einem anderen subtileren und differenzierteren Sänger den
Vorzug geben.
Man
kann davon ausgehen, dass sich José Cura noch in einer Entwicklungsphase
befindet, und es wird die Zukunft zeigen, wohin er geht, und wie das Stimmmaterial
folgt. Das Dirigentenpult steht ihm auf jeden Fall zur Verfügung, diese
Zukunft ist ihm sicher, wenn seine Stimme mal nicht mehr folgen sollte.
EH
P.S.
an den Veranstalter und Zukünftige: Die Kartenpreise waren schon sehr
hoch, eigentlich zu hoch, aber als Skandal schlechthin muß man den Preis
des Programmes bezeichnen. Die OS 77,-- (DM. 11.- ) waren für 6 Seiten
mehr als überhöht, zumal es auch noch genügend Werbung gab.
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