Diese
dramatische Legende von Hector Berlioz, der zu Baden-Baden eine besondere
Beziehung hatte, wie man an einer Gedenktafel am Stadttheater lesen konnte,
erlebte man in konzertanter Form im Festspielhaus Baden-Baden. Das Werk
mit dem Text des Komponisten und Almire Gondonnière nach Goethes "Faust
I" - die beiden Textformer ließen Faust in die Verdammnis geraten, nicht
wie bei Goethe in die Erlösung - wurde natürlich in der Originalsprache
französisch interpretiert, verständlich für das Publikum mit deutschen
und englischen Übertiteln.
Und
welches unvergeßliche Erlebnis in musikalischer Weise wurde diesem da
geboten. Berlioz hatte ohnehin das Werk für konzertante Aufführungen erdacht,
manchmal wird es auch szenisch dargeboten, aber es hat seine Wirkung wirklich
nur in konzertanter Weise, da man die einzelnen Teile der Legende - es
hat deren vier - durch eine konzertante Wiedergabe viel mehr der eigenen
Phantasie überlassen kann, vom Komponisten einzigartig in jeder musikalischen
Szene herausgarbeitet, was hier durch das Dirigat von Sir Simon RATTLE
und seinen BERLINER PHILHARMONIKERN bestens dargeboten wurde. Allein schon
zu Beginn den berühmten "Ungarischen Marsch" in so fulminanter Weise zu
hören - Berlioz ließ seine Kompositionshandlung in Ungarn beginnen - war
schon ein Ohrenschmaus, zudem Berlioz jeden einzelnen Teil seiner Legende
einfühlsam und gekonnt durchzukomponieren wußte.
Dazu
sorgten auch die eingefügten großen Chorszenen (in ausgezeichneter Einstudierung
von Johannes ZECH hier der CHOR und KINDERCHOR DER STAATSOPER STUTTGART
und einige Herren des PHILHARMONISCHEN CHORS WIEN) für eine perfekte Abrundung.
Die
Solisten des Abends waren in bester sängerischer Form. Joyce DiDONATO
als Marguerite meisterte ihren Part in ausgezeichneter Stimmposition,
ihre Traumbilderscheinung bei Faust mit dem "König in Thule"-Lied war
zu Herzen dringend, nicht nur bei Faust, der von Charles CASTRONOVO in
tenoraler Bestform, Bühnenpräsenz und Ausdrucksbetontheit auf die Bühne
kam. Dazu natürlich Ludovic TÉZIER in baritonaler Fulminanz als Méphistophélès,
der den Höllenboten mehr als hintergründigen Verführer zeigte. Beeindruckend
seine Schlußinterpretation, als er den von ihm hintergangenen Faust, der
mit ihm zur Rettung Marguerites einen Teufelspakt schloß, wie von Anfang
an geplant, der Hölle übereignete.
Marguerite
wurde hier nicht wegen Kindes-, sondern wegen Muttermordes zum Tod verurteilt,
da es in dieser Version nie zu einer körperlichen Vereinigung mit Faust
kam. Und hier wurde am Ende auch Marguerite auch von Engelsscharen in
den Himmel aufgenommen, was der der Stuttgarter Kinderchor ganz in viel
weiß gekleidet, ausgiebig zeigen durfte. In der kurzen Rolle des Brander
lernte man die sehr gute Baßbariton-Stimme von Edwin CROSSLEY-MERCER kennen.
Ein
Spätnachmittag der besonderen Art in Baden-Baden in der Interpretation
eines großen Orchester-Dirigenten nebst den erwählten Solisten. I.St.
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