Oper
im Kino ist sicher nicht mit Anwesenheit im Saal zu vergleichen, aber
für die meisten Menschen sicher die einzige Möglichkeit eine Aufführung
aus der Met einmal zu Gesicht zu bekommen.
Laut
Einführung durch Mezzosopranistin Joyce DIDONATO wurde die Handlung ins
Spanien unter Franco der 1930er verlegt - aber solange man sich als Zuschauer
nicht gerade mit spanischen Uniformen auskennt, hätte man davon wahrscheinlich
auch nicht wirklich was gemerkt. Eine grundlegende Kulisse war eine Arenaruine,
je nach Szene angepaßt. Sie umschloß den Platz, in dem der Großteil des
ersten Akts stattfand, Lillas Pastias Taverne im zweiten und das Lager
der Schmuggler im dritten; die Polizeiwache im ersten Akt befand sich
auf der Außenseite, ebenso der Handlungsort des vierten Akts.
An
den Bruchstellen, wo das Innere der Mauer sichtbar wurde, war dieses Innere
blutrot angemalt. Diese Farbe war überhaupt ein sich wiederholendes Motiv.
Am deutlichsten wurde dies im Vorhang, der aus zwei schwarzen Teilen bestand,
die zwischen sich durch einen blutroten "Blitz"(oder ein Blutrinnsal?)
freiließen. Dieses Bild wiederholte sich in Carmens Kleid im vierten Akt.
Ungewohnt war die Wahl, "Carmen" mit Guirauds Rezitativen anstatt der
originalen Sprechtexte aufzuführen. Mir war zwar die Existenz dieser Rezitative
bekannt, aber ich wußte nicht, daß sie jemand noch verwendet. Musikalisch
hatte ich hohe Erwartungen an die Met, und diese hat sie auch voll und
ganz gehalten.
Ein
überzeugender CHOR und ein begeisterndes ORCHESTER, dirigiert von Pablo
HERAS-CASADO waren da nur der Anfang. Selbst die kleineren Rollen waren
gut besetzt, und ich werde das Gefühl nicht los, daß ein Großteil der
Sänger viel Spaß an ihren Rollen hatte.
John
MOORE sang einen sehr ironischen Moralès, der mir sehr zugesagt hat. Keith
MILLER spielte Zuniga eher schmierig, und sein tiefer Baß war toll anzuhören.
Mercédès (Jennifer JOHNSON CANO) und Frasquita (Kiri DEONARINE) treten
so sehr im Doppelpack auf, daß ich keine Chance habe, noch zu sagen, wer
hier wer war.Jedenfalls
waren sie beide schön anzuhören und scheinen Carmens Spaß an der Rolle
zu teilen, auch wenn sie von ihr ziemlich an die Wand gesungen wurden.
Sowohl
Malcolm MECKENZIE als Dancairo und Eduardo VALDES als Remendado klangen
gut, ohne herausragend zu sein. Schauspielerisch ergänzten die beiden
sich jedoch gut und brachten mich mehr als einmal zum Grinsen. Es war
in einem solchen Moment, daß ich mir wünschte, man hätte sich doch für
die Sprechtexte entscheiden, die den beiden etwas mehr Dialoge geben.
Antia
HARTIGs Micaela war ein überzeugendes Naivchen, mit schöner, klarer Sopranstimme,
aber leider auch nicht viel mehr. Ohne irgendwelche Ecken und Kanten konnte
sie zwar nichts schlecht machen, aber auch nichts besonders gut. Passend
zur Rolle, aber im Gedächtnis ist sie mir so nicht geblieben.
Ildar
ABRAMASOV gehörte zu den Sängern, die in der Pause interviewt wurden,
und da bekam ich ganz stark das Gefühl, daß er letztendlich nur sich selber
spielte. Das allerdings, wie einige, wohl mit viel Freude und sehr erfolgreich.
Stimmlich konnte er mich nicht ganz so überzeugen, in der Tiefe wurden
die Töne hin und wieder etwas schwach, trotzdem hinterließ er einen positiven
Gesamteindruck.
Über
Alexandrs ANTONENKO als Don José etwas zu sagen, fällt mir ein bisschen
schwer. Er singt wirklich gut und ist, für sich genommen, bestimmt ein
toller Sänger, aber in dieser Produktion, immer direkt neben dieser Carmen,
wirkte er einfach etwas blaß. Das sorgt zwar für einen tollen schauspielerischen
Eindruck, aber führt letztendlich auch dazu, daß Antonenko mir einfach
nicht im Gedächtnis blieb, weil er in fast jeder Szene von Carmen übertrumpft
wurde.
Anita
RACHVELISHVILI ging in der Pause so weit als zu sagen, daß sie Carmen
sei - aber wirklich protestieren kann man da nicht. Selten sieht man einen
Sänger eindeutig so viel Spaß mit einer Rolle haben. Rachvelishvili spielte
Carmen mit unverhohlener Erotik, fand jedoch eine gute Balance, so daß
man sich als Zuschauer nicht den Eindruck bekam, daß hier nur auf Teufel-komm-raus
Tabus gebrochen wurden. Stimmlich dominierte sie ebenfalls die Bühne mit
kräftiger, aber fein timbrierter Stimme, die auch in Piano-Passagen nichts
einbüßte. Ihr gebührt wirklich ein großes Lob für ihren Auftritt.
Insgesamt
eine wirklich gute Aufführung, die, wie ich denke, durch die Übertragung
auch nicht signifikant etwas eingebüßt hat. NG
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