Fringe,
accidently
Eigentlich
wollten wir nur unserer Lieblingsstadt einen Besuch abstatten und landeten
mitten im Festival Fringe. Wieso nicht die Gelegenheit nutzen, ein oder
zwei Produktionen zu sehen?
Unsere
Wahl fiel auf "Jack and I - The Jack the Ripper Musical", was an sich
schon schräg klang. Wir wußten auch nicht wirklich, was uns erwartete.
Autor
Daniel Henry Kaes breitet in einer knappen Stunde ein Musical über den
(historischen) Ripper-Jäger Inspector Abberline aus, der unter immensen
Druck seitens seiner Vorgesetzten, der Presse und seiner Ehefrau steht,
den Mörder endlich zu fassen. Die Lösung, die uns Kaes am Ende präsentiert,
ist tatsächlich originell und läßt keinen der üblichen Verdächtigen den
Täter sein. Dazu ein paar schmissige, das Musicalgenre durchaus parodierende
Songs (die Anleihe an "Les Miserables" war einfach nur zwerchfellerschütternd),
fertig war ein sehr unterhaltsamer Abend, der ruhig länger hätte ausfallen
können.
Christabel
CLARKs Regie zeigte, daß es keines überkandidelten Konzepts bedarf, um
eine Geschichte zu erzählen. Eine ausgefeilte Personenregie und ein paar
Quader mit verschiedentlich beklebten Seiten als Requisiten genügen, um
einen komplexen Spannungsbogen aufzubauen - und vor allem zu halten. Gespielt
und vor allem auch gesungen wurde prachtvoll, so daß es nur wenig störte,
daß die orchestrale Begleitung vom Band kam.
Chris
CHALMERS' Detective Abberline war Dreh- und Angelpunkt der Geschichte
und so auch des Abends. Erstaunlich wie es jemandem in diesem Alter bereits
gelingt, eine Figur bzw deren Charakter derart genau auf den Punkt zu
bringen.
Matt
LIM verkörpert gleich drei Rollen, den Journalisten T.P. O'Connor, Abberlines
Vorgesetzten Sir Charles Warren und die Inkarnation des Rippers, die am
meisten zu tun hat. Er schafft es ohne weiteres, jeder dieser unterschiedlichen
Figuren unterschiedliche Charakteristika zu geben.
Als
Abberlines Frau Emma besaß Lizzie CAMPS genug Chuzpe und darstellerisches
Können, um sich mühelos neben ihren männlichen Bühnenpartnern zu behaupten.
Stimmlich wechselte sie ohne Probleme zwischen Straßenjargon und Hausfrauenattitüde
je nachdem, was die Szene gerade erforderte.
Die
Polizistin Georgia, neue Partnerin von Abberline und ein hardboiled cop,
großartig verkörpert von Sara BASSO DE MARC, irritiert zunächst, da sie
in Sprache und Geschlecht eher nichts im viktorianischen London zu suchen
hätte; doch selbst dies wird am Ende zu einer cleveren Lösung geführt.
Was
für erstklassiges Ensemble junger Talente! Jeder für sich genommen ein
großartiger Künstler. Im Zusammenspiel definitiv unschlagbar.
Zum
Fringe 2015 plant DHK productions eine Musicalversion von Mata Hari. Man
darf gespannt sein. Sollten wir zur entsprechenden Zeit in Edinburgh sein,
werden wir uns das nicht entgehen lassen. AHS & MK
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