Menschen,
die sich im deutschsprachigen Internet herumtreiben, werden früher oder
später wissen, daß es Bielefeld nicht gibt. Ich muß jedoch feststellen,
daß diejenigen, welche versuchen, diese Verschwörung zu vertuschen, einen
beträchtlichen Aufwand betrieben haben, die Legende der Existenz dieser
Stadt aufrecht zu erhalten. Dazu zählt auch ein Theater, an dem eine musikalisch
größtenteils hervorragende Tosca gespielt wurde.
Szenisch
war das jedoch eine einzige Katastrophe. Es ist ja nichts gegen eine Neudeutung
einzuwenden und nicht alles, was im Text vorkommt, muß auch auf der Bühne
zu sehen sein, aber wenn so gar nichts mehr von dem Stück vorhanden ist,
stellt sich schon die Frage, ob Sebastian BAUER überhaupt wußte, was er
da inszeniert - zumindest welche Kunstform... Ich hatte gefühlt mehr Augenkontakt
mit der Einlaßdame, als irgendein Protagonist mit einem anderen. Aber
auf der anderen Seite verstehe ich schon total, daß der Hirte eine so
wahnsinnig große Bedeutung für das Stück hat, daß er Tosca das Messer
gibt und fast den kompletten 3. Akt anwesend ist! Im kargen Bühnenbild
von Michael GRAESSNER agierten die Sänger in nicht immer kleidsamen Kostümen
von Kathi MAURER. Cavaradossis Outfit wurde vermutlich Ende der Achtziger
gesetzlich verboten, und seine Perücke erinnerte mich an die Tom Buhrow-Parodie
von "Switch Reloaded". Man muß der Produktion jedoch zu Gute halten, daß
sie sich bestens ignorieren läßt - zwei Pausen sind allerdings doch eine
zu viel...
Paul
O'NEiLL bestach als Cavaradossi durch eine sehr schöne und ebenso gut
geführte Stimme. Auf diese hat er sich jedoch nicht nur verlassen. Ihm
gelang alles in allem ein insgesamt rundes Rollenportrait. Gerne wieder!
Soojin
MOON (Tosca) hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. Sie hat die Rolle
total verinnerlicht, wirkt niemals gekünstelt, statt dessen vermittelt
sie ein ausgesprochen differenziertes Bild der Diva. Toscas Art ist bei
ihr kein oberflächliches Stargehabe, sondern reiner Selbstschutz. Den
Bruch in Toscas Fassade zum herausragenden "Vissi d'arte" habe ich noch
nie so wahrgenommen wie hier.
Frank
Dolphin WONGs Scarpia hingegen mangelte es doch gehörig an Zwischentönen.
Er ist eigentlich überwiegend vordergründig böse und weniger unterschwellig
fies, wie ich die Rolle am liebsten höre.
Unter
den Nebenrollen fiel insbesondere Moon Soo PARK als Angelotti positiv
durch eine spannende Stimme auf. Mark COLES (Mesner), Lianghua GONG (Spoletta),
Ramon RIEMARZIK (Sciarrone), Yun Geun CHOI (Schließer) und Sarah DAVIDOVIC
(Stimme des Hirten) ergänzten solide. Ellen BORN spielte den Hirten.
Alexander
KALAJDZIC holte aus den toll aufspielenden BIELEFELDER PHILHARMONIKERN
einen sehr süffigen Sound raus. Das Finale des zweiten Aktes habe ich
noch nie so intensiv gehört. Was man vom CHOR (Hagen ENKE) aus dem Off
hörte, klang durchaus hörbar. Die CHORINIS (Shaya VAN DEN BERG) klangen
so vollstimmig wie so mancher normale Chor. WFS
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