Meine
Idee, jedes Opernhaus Deutschlands einmal besucht zu haben, gepaart mit
dem Wunsch, in jeder Saison einen "Macbeth" zu sehen, trieb mich "zwischen
den Jahren" nach Mainz. Ein kurzes Anhören der Sänger im Internet verhieß
nichts sonderlich Negatives, Bilder und der Trailer aus der Produktion
ließen mich jedoch skeptisch werden... Wenn ausgerechnet Musik ausgewählt
wird, bei der der Chor schon in der Kantine sitzt, während das Orchester
gerade bei der Hälfte ist, bleibt eine gewisse Voreingenommenheit zurück.
Und auch die Tatsache, daß in der Einführung extra herausgestellt wurde,
dass es in der Oper Figuren gibt, die keinen richtigen Namen haben (Mörder,
Arzt,...), machte mir etwas Angst. Das ist nun auch nicht soooo selten.
Aber
wenden wir uns zunächst der musikalischen Seite zu. Schnell zeigt sich,
daß der Ausschnitt nicht repräsentativ war. Die seltenen Male, daß Bühne
und Orchester auseinander liefen, wurden von Hermann BÄUMER schnell korrigiert.
Er leitete das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER MAINZ sehr kompetent. Der
GMD ging das Stück eher vom späten Verdi an. An manchen Stellen war es
mir zu wenig pointiert, fast so, als wäre eine Stimme gestrichen worden,
aber im Großen und Ganzen war es eine sehr gute Leistung.
Ein
großes Lob auch an den CHOR und EXTRACHOR DES STAATSTHEATERS MAINZ unter
Sebastian HERNANDEZ-LAVERNY, der seinen Part hervorragend und mit viel
Spaß sang. Die SchülerInnen des FRAUENLOB-GYMNASIUM MAINZ unter David
SCHMAUCH spielten auf einem guten Niveau die Bühnenmusik zu Duncans Auftritt
im ersten Akt. Gespielt wurde übrigens die 1865-Version ohne Ballett,
den letzten Hexenchor "Ondine e Silifidi" und Macbeths Todesszene
Heikki
KILPELÄINENs Macbeth gefiel insbesondere in den leiseren Passagen. Er
verfügt über ein exzellentes Piano. Für die dramatischen Teile fehlt ihm
allerdings noch das gewisse Etwas. Das klingt einfach stellenweise zu
brav, fast so, als würde er sich nicht trauen, auch mal aus sich heraus
zu gehen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ansonsten
durchaus positiv auffiel.
Er
stand jedoch ein wenig im Schatten seiner Lady in Gestalt von Karen LEIBER.
Sie gestaltete die Rolle mit der nötigen Herrschsucht und Dominanz ihrem
Bühnengatten gegenüber. Auch darstellerisch vermochte sie, das rüberzubringen.
Eine etwas ausgesungene Höhe sei der Vollständigkeit halber vermerkt,
paßte aber auch zu der Rolle.
Thorsten
BÜTTNER sang einen sehr frischen Macduff, dessen Arie zu Herzen ging.
Ein Versprechen für die Zukunft! Er ergänzte sich zudem gut mit dem Malcolm
des ebenfalls sehr hörenswerten Agustin SANCHEZ - was macht der im Chor?
José GALLISA (Banco) machte seine Sache ordentlich, aber ohne nachhaltigen
Eindruck zu hinterlassen.
Patricia
ROACH (Kammerfrau) sang solide, ebenso wie Dietrich GREVE, der die Partien
des Arztes, Dieners, Mörders und Herolds übernahm, die eigentlich zu einer
einzigen Rolle zusammengefaßt wurden. Sehr beeindruckt hat mich die Fähigkeit
von Anke TRITTIN aus dem Chor, welche alle drei (!) Erscheinungen in Original-Tonlage
sang - also auch die erste, die normalerweise mit einem Baß oder Bariton
besetzt wird. Robin YILMAZ (Fleance) hat in der Banco-Szene ein bißchen
zu viel gemacht. Karl ADLER spielte den Duncan ordentlich.
Und
dann war da noch die Inszenierung. Meine Kolleginnen AHS und MK haben
einst die Regel aufgestellt, daß je besser der Programmhefttext des Regisseurs
ist, umso schlechter die Inszenierung wird. Das Interview mit der Regisseurin
Tatjana GÜRBACA gehört für mich zu den brillantesten Analysen, die ich
je zu diesem oder einem anderen Stück gelesen habe. Aber zum Glück bestätigen
Ausnahmen ja die Regel.
Die
Produktion strotze nur so vor noch nie gesehenen, genialen Einfällen.
Diese zweispätige Stimmung, die die Oper durchzieht, wurde herausragend
eingefangen. Ständig passiert irgendwas auf der mit Sonnenblumen übersäten
Bühne von Stefan HEYNE und in den passenden Kostümen von Silke WILLRETT.
Sollte sich der Sinn von Aktionen nicht von vornherein erschließen, sorgt
ein kleiner Blick auf die Übertitel (hier eher "Nebentitel") für Klarheit.
Die Grenze zur Albernheit wird nicht überschritten, sondern behutsam verschoben.
Doch nicht nur die äußerst lustigen Momente gefallen. Gürbaca schickt
einen durch alle Emotionen. Es ist auf der einen Seite sehr leicht, aber
auch sehr ernst und verblüffend textnah inszeniert. Eine wahre Meisterleistung
ist es, die doch etwas isolierten Szenen im letzten Akt (Chor/Macduff-Arie,
Wahnsinnsszene, Macbeth-Arie) so geschickt miteinander zu verbinden. Eine
Aufzählung ausgewählter Szenen würde vermutlich einen falschen Eindruck
erwecken. Die Regie funktioniert als Gesamtkunstwerk. Das ist Regietheater
- nein, das ist Musiktheater! WFS
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