Nach
über 25 Jahren wurde der Produktion des "Phantoms" ein Update gegönnt,
und dieses Update tourt in den nächsten Monaten durch Großbritannien,
beginnend mit Plymouth, während die Originalproduktion weiterhin im Londoner
Westend zu sehen ist. Im Gegensatz zu "Les Miserables", bei denen vor
zwei Jahren ähnlich verfahren wurde, beschränkt sich das Update allein
auf die szenische Seite. Die Arrangements sind dieselben geblieben, es
gibt keine musikalischen Änderungen.
Bei
der szenischen Seite ist einiges geändert worden, manches ist überzeugend,
manches ist es nicht. Zu letzterem gehören die teilweise recht kurz geratenen
Kostüme der Damen, die im 19. Jahrhundert schlichtweg untragbar gewesen
wären. Sehr schade ist es, daß der Auftritt des Phantoms als "Roter Tod"
im Maskenball verschwunden ist; er trägt eine Art Uniform, und das Erscheinen
und Verschwinden ist nicht allzu wirkungsvoll. Geradezu spektakulär ist
hingegen der Abgang vom Opernhaus in die Katakomben mit plötzlich scheinbar
aus dem Nirgendwo auftauchenden Stufen. Gleiches gilt für das Verschwinden
des Phantoms am Schluß, wo man sich unwillkürlich fragt, wie dies bewerkstelligt
wurde. Weniger überzeugend als im Original sind hingegen das Finale des
ersten Aktes sowie die Szene auf dem Friedhof. Man kann insgesamt in der
Personenführung eher eine Hinwendung zu den Ereignissen von "Love Never
Dies" beobachten, was ich ein wenig störend finde, was aber damit zusammenhängen
mag, daß mir diese Fortsetzung gar nicht gefällt.
John
OWEN-JONES in der Titelrolle besitzt die unglaublichste Stimme, die mir
im Musical bekannt ist. Auch nach diversen Begegnungen rätsele ich immer
noch, wie er diese schier unwahrscheinlichen Töne produziert, die auch
in der Höhe niemals gefährdet klingen und ewig gehalten werden können.
Dabei schafft er es, daß diese technischen Fähigkeiten kein Selbstzweck
werden, sondern immer der Ausgestaltung der Partie dienen.
Olivia
BRERETON brachte alles mit, was eine Christine benötigt. Sie ist reizend
anzusehen, sie hat die Töne bis in die höchsten Lagen, und die scheue
Ausstrahlung paßt gut zu der Rolle, insbesondere mit der etwas geänderten
Regie, durch die Christine noch unschuldiger wirkt als sowieso schon.
Mit Simon BAILEY (Raoul) konnte ich hingegen relativ wenig anfangen, irgendwie
entstand hier kein Charakter, der in Erinnerung blieb, dazu wirkte er
viel zu wenig beteiligt. Er machte nichts wirklich falsch, aber warum
Christine sich für ihn entscheidet, konnte ich nicht nachvollziehen.
Die
beiden Direktoren Andy HOCKLEY (Firmin) und Simon GREEN (André) wirkten
vielleicht ein wenig zu britisch für ein französisches Opernhaus, aber
waren durchaus amüsant, auch wenn sie nicht die Wirkung ihrer beiden Kollegen
in London erreichen konnten.
Angela
M. CAESAR als Carlotta hat definitiv die Stimme für die Partie, man kann
sich jedoch nicht des Eindruckes erwehren, daß sie mit der Rolle (noch)
nicht wirklich etwas anfangen kann, was jedoch mit der Zeit noch kommen
mag. Vincent PIRILLO ist als Piangi eine solch treffende Parodie eines
alternden, eitlen Tenors, daß man fast übersieht, welch ausgesprochen
hörenswerte Töne er hat. Er ist der erste Piangi, der tatsächlich in der
Lage wäre, die Oper des Phantoms zu singen.
Madame
Giry Elizabeth MARSH war perfekt in ihrer Haltung und Stimme, und Hannah
CADEC als Tochter Meg hob sich wohltuend von dem kleinmädchenhaften Gehabe
ihrer Londoner Kollegin ab.
Von
den zahlreichen kleinen Rollen sind noch Henry GRANT KERSWELL als Don
Attilio und Greg CASTIGLIONI als M. Reyer zu erwähnen, die ob ihrer Stimme
aufhorchen bzw. ob ihrer Präsenz aufmerksam werden ließen.
Das
ORCHESTER unter der Leitung von Anthony GABRIELI leistete sich einen veritablen
Ausstieg und war ansonsten etwas vordergründig laut, aber ansonsten unauffällig.
MK
P.S.:
Ich hoffe, der extrem laute Scheinwerfer am ersten Rang wurde zwischenzeitlich
repariert. Direkt darunter war das dauernde Gesumme mehr als nur ein wenig
störend.
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