Die
"dienstälteste" Produktion der Bayreuther Festspiele stammt aus dem Jahr
2005. Mit der szenischen Leitung wurde Anna-Sophie MAHLER beauftragt.
Das Konzept der Inszenierung von Christoph MARTHALERs Inszenierung ist
das Alleinesein in der Liebe. Man ahnt es: Es handelt sich um eine dieser
Arbeiten, von denen man im Vorfeld entweder eine sehr interessante Sichtweise
oder aber wahrscheinlicher viereinhalb Stunden als modernes Regietheater
getarntes Rampensingen erwartet.
Auch
wenn man letzteres nicht vollkommen sagen kann, tendiert der Abend doch
stark in die Richtung. Der Höhepunkt war als Tristan und Isolde im Liebesduett
etwa fünf Minuten einfach in ca. fünf Meter Entfernung nebeneinander standen.
Abgesehen von der Tatsache, daß Tristan im letzten Akt quasi museal inklusiv
"Besuchern" aufgebahrt wird und seltenen absurden Zuckungen (vor allem
von Kurwenal), die mitunter an die "Klatschspiele" der Mädchen in der
Grundschule erinnern, die wir Jungs nie kapiert haben, könnte man die
Handlung in traditionellem Ambiente spielen, ohne daß es groß auffallen
würde. Aber man entschied sich für eine herrlich muffige, farblos-graue
Nachkriegsausstattung Typ Sperrmüll, in welcher die Protagonisten wohlig
warme, weite Wollkleider bzw. biedere Kostüme und Anzüge oder Trachten
tragen dürfen. Danke, Anna VIEBROCK, vielen Dank...
Besetzungstechnisch
hingegen blieben wenige Wünsche offen. Allen voran glänzte Robert Dean
SMITH als Tristan, der zeigte, daß man Wagner am Besten von der "italienischen"
Seite angeht und man diese Musik wirklich singen kann, nein muß. Dabei
hilft ihm sicherlich die Tatsache, daß er sich nicht nur im reinen Heldenfach
aufhält, sondern auch gerne mal im klassischen Spintofach singt. Ohne
unnötige Kraftmeierei präsentierte er einen feinfühligen, eher ein wenig
zurückhaltenden Liebhaber. Niemals mußte man Angst haben, daß er die Rolle
nicht durchstehen würde. Sein finales "Isolde" ging durch Mark und Bein.
Diese
wurde von der Schwedin Iréne THEORIN auf sehr hohem Niveau gesungen. Stimmlich
und technisch voll auf der Höhe machte sie sehr schön die Entwicklung
deutlich. Während sie im ersten Akt doch eher schnippisch und hämisch
herüber kam, so wirkte sie im 2. zunächst euphorisch vor der Begegnung
und dann eher verschüchtert und unsicher im Umgang mit Tristan. Gekrönt
wurde ihre Leistung von einem tollen Liebestod.
Relativ
frühzeitig sagte Robert Holl den König Marke für die gesamte Serie ab
und wurde durch Kwangchul YOUN ersetzt, welcher sein Ausnahmeinstrument
in beeindruckender Weise einsetzte, ohne sich nur auf dieses zu verlassen.
Er zeichnete ein äußerst differenziertes Portrait eines von seinem besten
Freund hintergangenen Mannes.
Weshalb
das Publikum von Jukka RASILAINEN (Kurwenal) so begeistert war, wollte
mir nicht einleuchten. Seine nicht sonderlich schöne Stimme setzte er
vor allem im ersten Akt vorwiegend laut ein, zudem wirkte er rhythmisch
teilweise ein wenig unsicher. An seiner Stelle hätte ich lieber Ralf LUKAS
gehabt, dessen Melot aufhorchen ließ.
Michelle
BREEDTs Brangäne fiel nicht sonderlich auf. Clemens BIEBER (junger Seemann),
Martin SNELL (Steuermann) und der aus unerfindlichen Gründen den kompletten
3. Akt auf der Bühne anwesende Hirt von Arnold BEZUYEN ergänzten solide.
Ein
absolutes Highlight war das Dirigat von Peter SCHNEINER, der mit dem FESTSPIELORCHESTER
einen unglaublich warmen und einfühlsamen Klangteppich erzeugte. Gerade
die Streicher waren eine Offenbarung. Die wenigen Passagen, die der FESTSPIELCHOR
unter Eberhard FRIEDRICH aus dem Off zu singen hatte, waren ohne Fehl
und Tadel.
Die
Erkenntnisse des Abends: Auch bei den Bayreuther Festspielen packen diejenigen,
die nicht so laut husten wollen wie der eine oder andere Besucher ihre
Bonbons gerne knisternd aus. Auch bei den Bayreuther Festspielen wird
eine halbe Minute vor Ende geraschelt. Auch bei den Bayreuther Festspielen
hat man keinen Sinn dafür, die Musik einfach ausklingen zu lassen und
die Stille nach der Aufführung zu genießen. WFS
|