Mit
einem sogenannten "festlichen Opernabend" verbindet man gemeinhin die
Vorstellung, daß das hauseigene Ensemble mit einigen bekannten Namen für
einen Abend verstärkt wird. Häufig ergibt sich dann die Situation, daß
die Träger jener bekannten Namen ein wenig wie Fremdkörper wirken, sei
es, weil es keine ausreichenden Proben gegeben hat, sei es, weil es nur
als Gelegenheit genutzt wird, schnell Geld zu verdienen.
An
diesem Abend in Hannover war es jedoch anders. Würde jemand behaupten,
die Sänger hätten mehrere Wochen gemeinsame Proben absolviert, wäre dies
ohne weiteres glaubhaft, so reibungslos fügten sich die beiden Stars Annette
Dasch und Lucio Gallo in das Ensemble ein.
Dabei
ist die Inszenierung von Ingo KERKHOF sehr bewegungsintensiv, das darstellerische
Talent der Sänger ist stark gefordert auch dadurch, daß ein Bühnenbild
(Anne NEUSER) nur angedeutet ist. Am Anfang sieht man sämtliche Beteiligten
in einer Art Probenraum, komplett mit Flügel und Stühlen an einer Wand.
Aus dieser Situation wird dann das Stück entwickelt, bis gegen Schluß
das Ganze auf eine Probebühne wechselt. Das klingt zunächst irritierend,
funktioniert jedoch auf faszinierende Weise und führt zu einem überaus
lebendigen Abend. Es paßt auch zu dieser Produktion, daß Bartolo und Antonio
sowie Basilio und Don Curzio von jeweils den gleichen Sängern verkörpert
werden. Ein besonderes Lob ist hier Peter HÖRTNER für die Beleuchtung
auszusprechen, dem es gelingt, bei einer fast leeren Bühne allein durch
das Licht das Geschehen im dunklen Garten mit Verstecken und Verwechseln
nachvollziehbar zu gestalten. Die Kostüme von Stephan von WEDEL fügen
sich ohne weiteres in dieses Konzept ein.
Annette
DASCH ist spielfreudig, jederzeit in der Rolle der Gräfin überzeugend.
Merkwürdigerweise ist muß man ausgerechnet in den beiden Arien kleine
Abstriche machen, da hier die Stimme unruhig wirkt, ein Phänomen, was
sich in den Ensemble-Szenen interessanterweise nicht zeigt. Lucio GALLO
gelingt es immer wieder, durch überraschende, überaus spontan wirkende
Nuancen in Phrasierung und Spiel plötzlich eine andere Facette des Grafen
sehen zu lassen. Auch nach diversen Verdi-, Puccini- und Wagner-Partien
ist der Sänger bei Mozart noch immer in seinem Element. Nicht verstecken
müssen sich dahinter Susanna und Figaro.
Ania
VERGRY wirkte ausgesprochen jung, ließ aber eine vollständig durchgebildete,
in jeder Lage absolut sichere Stimme mit erfreulichem Timbre hören, die
in einigen Jahren auch dramatischere Rollen erwarten läßt. Dazu spielt
sie erfrischend, sieht auch noch sehr attraktiv aus, und weiß zu phrasieren.
Tobias SCHABEL läßt einen schönen, Baßbariton hören, mit dem er umzugehen
weiß. Auch darstellerisch kann er entsprechend auftrumpfen, so daß zwei
sehr gleichwertige Paare auf der Bühne stehen.
Auch
die weiteren Rollen sind erstklassig besetzt: Als Monika WALEROWICZ als
Cherubino auf die Bühne kam, war ich für einen Moment überzeugt, daß dort
keine Sängerin in einer Hosenrolle, sondern tatsächlich ein männlicher
Teenager stehen würde. Neben dieser glaubwürdigen Darstellung trug auch
die sehr gute stimmliche Leistung zu einem schlüssigen Rollenporträt bei.
Francisca PRUDENCIO war eine süßstimmige Barbarina, die sehr überzeugend
spielte, daß das Mädchen, nachdem - angenehm subtil - angedeutet wird,
daß Basilio offenbar am Ende des dritten Aktes übergriffig geworden ist,
etwas ganz anderes verloren hat als eine Nadel. Zusammen mit Gergana KOSTOVA
bildete Francisca Prudencio auch ein Mädchenduo auf höchstem Niveau.
Katja
BEER war als Marcellina stimmlich und körperlich weit weg von einer alten
Matrone, schon allein ihre heftige, nicht nur verbale Auseinandersetzung
mit Susanna zeugt davon, trotzdem schaffte sie es durch Haltung und kleine
Gesten, dreißig Jahre älter zu wirken, als sie tatsächlich sein dürfte.
Shavleg ARMASI überzeugte sowohl als Bartolo als auch als Antonio, wobei
er mit nur wenigen Kostümdetails und einem Wechsel in der Haltung vollkommen
unterschiedlich wirkte. Auch sein warmtimbrierter Baß und der Sinn für
Timing überzeugten. Jörn EICHLER (Basilio/Don Curzio) war mit ganz gelegentlichen
Schärfen in der Stimme als Basilio inszenierungskonform widerlich und
als Cuzio bemitleidenswert.
Das
NIEDERSÄCHSISCHE STAATSORCHESTER HANNOVER spielte unter Andrea SANGUINETI
einen hochkonzentrierten, fehlerlosen Abend. Der Dirigent sorgte dafür,
ohne dabei durch die Partitur zu hetzen, daß die musikalische Seite der
schnellen, lebendigen Handlung in Nichts nachstand. Ein unbedingter Gewinn
für den Abend. Der CHOR DER STAATSOPER HANNOVER (Leitung Dan RATIU) absolvierte
nicht nur den Auftritt durch den Zuschauerraum souverän, sondern trug
zu diesem hochklassigen Abend seinen Teil bei.
Auch
ohne das Etikett "festlicher Opernabend" dürfte es ausreichend Gründe
geben, sich diese Produktion anzusehen. MK
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