"THE GOLDEN TICKET" - 20. Oktober 2010 | |
Europäische Erstaufführung Das Libretto dieser Kinder- oder besser "Jugend-Oper" von Donald Sturroch (wie der Komponist Peter Ash 1961 geboren) basiert auf dem sensationell erfolgreichen Buch von Roald Dahl "Charlie and the Chocolate Factory", das ja auch bereits mit großem Erfolgt verfilmt worden ist. Dahl war nämlich schokoladensüchtig, siehe die kurze Biographie nach diesem Bericht. Die musikalische Substanz der Oper ist etwas dünn und geht über den amerikanischen Musik-Stil der 1950er und 60er Jahre von Barber und Copeland kaum hinaus. Nicht einmal Einflüsse von Charles Yves, protestantischen Chören oder reißerischen oder schmachtenden Musical-Melodien gibt es, keine "Ohrwürmer", die Kinder nach Hause nehmen könnten. Peter Asj hat auch vermieden, die post-veristische Art von Gian-Carlo Menotti oder Carlisle Floyd zu imitieren. Dafür sind die kleinen Ensembles überraschend lebendig und einfallsreich, wie die sehr amüsanten, kammermusikalischen Quartette der vier bettlägerigen Großeltern (in einem Bett) oder die gelungenen Ensembles der Oompa-Loompas, den asiatisch geschminkten Sklaven, in der Schokolade-Fabrik im 2. Akt. Sonst ist die Oper musikalisch eher etwas trocken und enttäuschend. Dafür war die Produktion einfach sensationell, die aus Saint Louis in USA importiert wurde (wo die Uraufführung im Juni stattgefunden hatte). Unter der Leitung des amerikanischen Regisseurs James ROBINSON, war eine Armee von Sängern, Tänzern und Choristen aufgeboten, die in den verrückten Bühnenbildern des Salzburgers Bruno SCHWENGL und den ebenso phantastischen Kostümen des bekannten Designers Martin PAKLEDINAZ sich austoben konnten. Das Ganze wurde noch durch dezente Videos von Greg EMETAZ ergänzt und meisterhaft von Christopher AKERLIND ausgeleuchtet. Sean CURRAN hat auch hier die Choreographie geschaffen. Der englische Dirigent Timothy REDMOND hatte bereits die Uraufführung in Saint Louis geleitet und zeigte sich der Aufgabe voll gewachsen. Das ORCHESTRA OF THE WEXFORD OPERA FESTIVAL, das ja etwas andere Musik gewohnt ist, folgte ihm mit sichtlichem und hörbarem Genuß, und der CHORUS OF THE WEXFORD OPERA FESTIVAL, diesmal von Greg RITCHEY bestens vorbereitet, trieb heftigst Unfug auf der Bühne. Die Oper beschäftigt nicht weniger als zwölf Sänger, die meisten in zwei Rollen. Dafür gibt es nur zwei Hauptrollen, nämlich Charlie, den der ungewöhnlich begabte junge Michael KEPLER MEO mit professioneller Sicherheit, aber trotzdem sehr kindlich, überzeugend darstellte. Die zweite Hauptrolle ist die des Zauberers, Tausendsassas und Schokolade-Fabriksbesitzers Willy Wonka, der auch als der Krämer Mr Know reinkarniert ist, den der phantastische Wayne TIGGES mit Maestria umwerfend darstellte. Der sehr reiche, aber unsichtbare Besitzer der Schokoladenfabrik Willy Wonka hatte vor Jahren sämtliche Angestellten gefeuert, weil sie seine Schokoladen-Rezepte für die Konkurrenz stahlen. Die Fabrik funktionierte aber trotzdem - kein Mensch wußte wie. Nun hat der alternde Willy Wonka ein Gewinnspiel ausgeschrieben: in den Zehntausenden von Schokoladentafeln sind je eines der fünf "Golden Tickets" versteckt. Wer diese findet, darf mit seinen Eltern die Fabrik besichtigen und wird dabei noch zu einem Test geladen. Den Gewinner erwartet eine unglaubliche Überraschung. Der kleine Charlie lebt in einer sehr armen Wohnung und betreut seine vier Großeltern, die alle vier in einem Bett leben. Alle vier sind passabel senil und singen sich idiotische Liedchen zu, die bisweilen sehr ausgefeilte, amüsante Ensembles und Kanons werden. Grandpa Joe (Frank KELLEY) ist der Sprecher des Greisen-Quartetts und der einzige, der halbwegs mobil ist, während Grandpa George (Bradley SMOAK,) Grandma Georgina (Miriam MURPHY) und Grandma Josephine (Leslie DAVIES) völlig bettlägerig vegetieren. Charlie kocht jeden Tag Kohlsuppe für die vier Alten. Einmal im Jahr bekommt er zu seinem Geburtstag eine Tafel Wonka-Schokolade. Hier beginnt die eigentliche Geschichte, im Laden von Mr Know, der Schokolade verkauft. Charlie holt sich seine Geburtstags-Schokolade - aber kein Golden Ticket ist drin. In den folgenden Szenen wird gezeigt wie die Konkurrenten das Spiel angehen - und das ist meist von umwerfender Komik. Natürlich wird das vom Fernsehen gesponsert, und die TV Moderatorin Candy Mallow (Jenifer BERKEBILE), die erfahren soll, wofür sich die vier Konkurrenten interessieren, ist von der Dummheit der Teilnehmer ziemlich überfordert. Als erster tritt Mike Teawee in Ranger-Uniform und mit knallig-farbigen Plastik-Pistolen an, der - wie Ausstaffierung und Name zeigen - ein Adept von blutigen Kriegsfilmen ist und bei der TV-Show den Trottel abgibt. Der kanadische Countertenor David TRUDGEN singt prächtigst und spielt ausgezeichnet den passabel debilen Mike Teavee - wenn er u. a. das Fernseh-Studio verwüstet und erntete mehrmals Szenenapplaus. Seine Mutter, Mrs Teawee (Leslie Davies), läßt dieses Monster-Baby alles tun, was es will. Dann kommt Veruca Salt, ein verzogener Teenager mit ihrem Millionär Vater, Lord Salt (Owen GILHOOLY), den sie mit ständigen Heul- und Trotzszenen bis aufs Blut quält. Abigail NIMS in hautengem Pullover spielte diese junge Nocke mit überzeugender Hysterie und hübscher Stimme. Während dessen öffnen die Arbeiter der Firma "Salt" (in weißen Overalls mit "Salt" darauf gestickt) alle Wonka-Schokoladentafeln, die der Papa aufgekauft hat. Dann erscheint ein 2 m-großer Schwarzer in läppischer Kleidung, der ständig Schokolade mampft und ein riesiges vielfarbiges Lutschbonbon als Fächer hält. Dieser Vielfraß, Augustus Gloop wurde von Noah STEWART mit großem Baß blendend charakterisiert. Seine Mutter, Mrs Gloop (Miriam Murphy) bevormundet das Riesenbaby sehr mütterlich. Die nächste ist Violet Beauregard, ebenfalls eine dumme Gans, der Kiera DUFFY ihren schönen Mezzo und ihr vorteilhaftes Aussehen lieh. Ihr Vater, Mr Beauregard (Bradley Smoak) unterstützt ebenfalls ihre Marotten. Während dessen träumt Charlie zu Hause von Abenteuern und Magie. Er geht seine Geburtstags-Schokolade bei Mr Know holen, aber es ist kein Golden Ticket drin. Mr Know ermuntert den Jungen ein neues Schokolade-Rezept zu erfinden, und dieser singt ihm seinen Traum von einem Schokolade-Bonbon, das man ganz langsam lutschen muß, mit einem ganz winzigen Krebs drin. Charlie geht traurig nach Hause in den Schnee. Da findet er ein Geldstück, läuft zurück und kauft bei Mr Know die letzte Tafel Schokolade. Er macht die Verpackung auf, und das Golden Ticket glänzt, das 5. und letzte Ticket. Im 2. Akt wird es kompliziert. Vor den haushohen Buchstaben "WONKA" der Fabrik sammelt sich sehr aufgeregt die Menge. Die fünf Gewinner eines Golden Tickets werden mit ihren Eltern von Willy Wonka zu einer Fabrikbesichtigung eingeladen, müssen aber, wegen ihrer eigenen Sicherheit, den Regeln unbedingt folgen. Als erster fällt der ständig Süßigkeiten lutschende Augustus Gloop in den Schokolade-Fluß (blendend gemacht mit Wogen und Geplantsche) und wird in eine der Kanalisationen abgesaugt. Willy Wonka sendet ein paar Oompa Loompas auf seine Suche. Es folgt eine Fahrt in einer phantastischen Barke mit den Oompa Loompas durch die Schnellen des Schokolade-Flusses und man erreicht das "Erfindungslabor", wo ein Drei-Gänge-Kaugummi entwickelt wird. Violet Beauregard will davon kosten und wird sofort in eine Riesen-Heidelbeere verwandelt und zur Fruchtsaft-Presse abgeliefert. Die nächste Station ist die Versandstation durch weltweites Fernsehen. Mike Teavee springt hinein und wird miniaturisiert. Kommentar Willy Wonkas: "If you have children, never let them get close to a TV set!" Grandpa Joe, der Charlie begleitet hat, und Mikes Mutter, Mrs Teawee, versuchen ihn wieder "auszustrecken" - zum Brüllen! In einem orientalischen Bazar knacken Eichhörnchen Haselnüsse auf und trennen die guten von den schlechten. Was zu einem entzückenden Eichhörnchen-Chor Anlaß gibt unter der Leitung der "Squirrel-Mistress" (Jenifer BERKEBILE). Die verzogene Veruca Salt greift zu, um ein Eichhörnchen nach Hause mit zu nehmen und wird sofort mit ihrem Vater in den Müllschacht entsorgt. Kommentar Willy Wonkas: "Why is Veruca such a brat? Because she has a stupid dad!" Willy Wonka und Charlie bleiben alleine übrig, steigen in einen großen gläsernen Aufzug. Willy Wonka lädt Charlie ein, einen Knopf zu wählen, der auf "Up and Out" drückt, worauf der Aufzug durch das Dach kracht und über der Stadt schwebt - phänomenal realisiert. Willy Wonka erklärt Charlie, daß er sich zur Ruhe setzen will und übergibt Charlie die Schlüssel der Fabrik. Charlie drückt auf den "Down" Knopf, und der Aufzug fällt in seine Wohnung, mit den Großeltern im Bett. Er lädt sie ein in die Fabrik zu ziehen, aber die vier Alten wollen nicht. Erst als er ihnen verspricht, dasß sie immer genug und gut zu essen bekommen werden, willigen sie ein. Charlie läuft um Mr Know sein Abenteuer zu erzählen, der sich aber als Willy Wonka entpuppt. - Der Kreis ist geschlossen. Das Publikum - natürlich viele Kinder - tobte! Dieses sensationelle Spektakel sollten Theater "auf dem Kontinent" übernehmen. Roald
Dahl und die Schokolade Dahl war ein Sonderfall unter den Schriftstellern der anglosächsischen Literatur, denn seine Bücher sind immer ungewöhnlich und meist nicht "politically correct". Sein erstes Kinderbuch "The Gremlins" hat seinen Namen in dieser Sparte begründet. Das Kinderbuch "Charlie and the Chocolate Factory" entstand 1961 unter sehr dramatischen Umständen. Sein 6-Monate alter Sohn Theo war von einem New Yorker Taxi gegen einen Autobus gequetscht worden. Mit dem behandelnden Neurologen Wade - Theo hatte bereits acht Schädeloperation hinter sich und die ansteigende Lymph-Flüssigkeit mußte entfernt werden - und dem befreundeten Ingenieur Tall, Spezialist für Mikromotoren, entwickelte Dahl (selbst lebenslang ein begeisterter Bastler und Erfinder) eine Mikro-Pumpe (WDT-Pump), um dieses Problem zu lösen. Nicht patentiert, wurde die WDT-Pumpe weltweit nachgebaut und hat Zehntausende Kinder - und Erwachsene - gerettet. Kurz nach Beginn des Charlie-Manuskripts starb seine siebenjährige Tochter Olivia an einer Masern-Epidemie in New York. Um dieses Trauma zu überwinden, zog sich Dahl in sein Haus in Wales zurück. Dahl war seit seiner Kindheit ein Schokolade-Liebhaber. In seinem Internat erhielt er alljährlich von der Schokolade-Fabrik Cadbury eine Schachtel mit den sechs neuesten Schokoladen mit einem Formular, diese zu beurteilen. Noch ein Teenager, schrieb er einmal "Too subtle for the common palate." Während des Kriegs sandte er aus Washington feine Schokoladen zur Weihnachtszeit an seine Familie in England. Auf seinem Schreibtisch lag eine silberne Kugel in der Größe eines Tennisballs, die aus den Silberpapieren der von ihm verzehrten Schokolade-Tafeln gegossen worden war! Dahl träumte Zeit seines Lebens, ein neues Schokolade-Rezept zu erfinden! Das Manuskript unterging sechs Überarbeitungen bis er schließlich die letzte Fassung an den bekannten Verlag Alfred Knopf in New York einsandte, wo man zuerst einigermaßen überrascht war. Doch Alfred Knopf persönlich, seine Familie und die des Chef-Lektors Robert Bernstein waren alle begeistert, trotz des bisweilen etwas vulgären Humors und der verrückten Moral der Geschichte. Denn "Charlie and the Chocolate Factory" ist eine moderne moralische Fabel, wo Neugier, Angeberei, Habsucht und Hochstapelei bestraft werden, während der träumende arme Charlie von Willy Wonka als sein Nachfolger ausgewählt wird - und kein Erwachsener. Das Buch erschien am 30. Dezember 1964. Wonka - ein Alter Ego Dahls - sagt einmal: "In my factory I make things to please children. I don't care for adults." Dahl bezeichnte sich selbst als "a geriatic child". Er starb 74-jährig an einer seltenen Blut-Krankheit. Eine Biographie "Storysteller: The Life of Roald Dahl" von Donald Sturrock, dem Autor des Opern-Librettos, ist im September 2010 bei Harper Press, New York erschienen. Siehe auch www.roalddahl.com. wig. |