In
seiner ersten Oper, uraufgeführt 1952, nahm sich der junge Hans Werner
Henze gleich einen Stoff vor, der schon vor ihm große Komponisten beschäftigt
hatte, die Geschichte der Manon Lescaut. Aber Henze wäre nicht schon damals
der Individualist, der er bis heute ist, wenn er das Thema auch gleich
behandelt hätte. Ihn interessierte weniger die Geschichte der jungen Frau
zwischen Liebe und Geld, sondern eher das Thema der unerwiderten Liebe
des jungen Armand des Grieux, die große Einsamkeit des Menschen schlechthin
auf dem Boulevard Solitude, die zuletzt in den (Drogen-)Tod führt.
In
Nürnberg wurde nun die Inszenierung von G. H. SEEBACH, eine Übernahme
der Oper Graz, gezeigt. Schon das Bild (Bühne: Hartmut SCHÖRGHÖFER), in
dem die sieben Szenen spielen, zeigt die Kälte, von der die Gesellschaft
des 19. Jahrhunderts, 1952 und auch heute geprägt werden. Alles in sterilem
Weiß, zwar hohe Türen und luftigen Höhen, aber vor der Tür eine Baustelle
mit dem Schutt der vergangenen Zeit. Dazu ein weiß gefliester Boden. Kaltes
Licht (Thomas SCHLEGEL) verstärkt die Härte. Die Menschen agieren nur
miteinander wenn sie Sex, Drogen oder Geld wollen, ansonsten ist jeder
allein. Des Grieux' Freund Francis kommt in seiner Welt der Bibliothek
und Bücher damit zurecht, ein Liebender wie Armand geht unter. Und in
alldem, für all das ist der Motor Manon. Sie verführt Armand immer wieder,
spielt willenlos das Spiel ihres Bruders und ist die Geliebte von Vater
und Sohn Lilaque, solange sie ihr Auskommen hat.
Für
diese trostlose Welt findet Henze Musik überall dort, wo Musik in der
Zeit war. Vom Zwölfton bis zum Jazz bedient er sich bei allem, was ihm
stimmig erscheint. Noch nicht ganz bei sich, aber ungeheuer kraftvoll,
auch nach über fünfzig Jahren. Sehr deutlich wird dies in den Zwischenspielen,
die die vorangegangen Szenen kommentieren und auf die folgenden einstimmen.
Christof PRICK und die NÜRNBERGER PHILHARMONIKER hauchen der Musik das
Leben ein, das sie so unwiderstehlich macht.
Aber
auch das Sängerensemble mit der verführerischen Heidi Elisabeth MEIER
als Manon, ihrem brutalen Bruder, eindringlich gestaltet von Michael NELLE,
dem alles gebenden Tilman LICHDI als Armand, Wieland SATTLER als Lilaque
junior und auch Sebastian KITZINGER als Francis runden den Eindruck ab.
Richard KINDLEY konnte aufgrund einer Verletzung den Lilaque Vater zwar
singen, wurde in dieser Derniere aber szenisch durch den Regisseur vertreten.
Eine Brechung der besonderen Art. Auch der CHOR DES STAATSTHEATERS NÜRNBERG
sei lobend erwähnt, sowie die bei (und von) Henze gern gesehenen Tänzer.
Ein
zeitloses Thema mit überzeitlicher Musik, was diese Produktion wieder
einmal unter Beweis stellte. KS
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