Da
verschlägt einen der Beruf ins südthüringische Meiningen, man beschließt,
sich bei der Gelegenheit das hochgerühmte Theater anzusehen, und erlebt
ein - zumindest musikalisches - kleines Theaterwunder. Da sind in dieser
schwer zu besetzenden Oper sämtliche Partien weit mehr als rollendeckend
besetzt, und auch die Leistungen von Orchester, Chor sowie das Dirigat
können sich hören lassen.
Es
ist kaum zu entscheiden, welchem der Sänger eigentlich die Krone des Abends
gebührt. War es Iva IONOVA (Leonora), die sich zwar vor der Vorstellung
ansagen ließ, jedoch bis auf ein paar vorsichtig genommene Spitzentöne
im piano keine Einschränkungen erkennen ließ? Mit einem apart timbrierten
Sopran, sicheren Koloraturen und trotz der Zeichnung der Figur durch die
Regie zu keinem Zeitpunkt lediglich duldender Miene stellte sie eine entschlossene,
kämpferische junge Frau auf die Bühne.
Oder
war es Rita KAPFHAMMER als Azucena, einziger Gast in dieser Produktion,
die mit nicht riesiger Stimme, dafür jedoch kluger Phrasierung ohne einen
einzigen angestrengten Ton die Partie durchmaß? Für die eigenwillige Interpretation
der Rolle durch die Regie konnte sie nichts, es wäre jedoch wünschenswert,
sie einmal in einer Inszenierung zu hören, wo sie die Flammen tatsächlich
lodern lassen kann.
Auch
bei den Herren gab es keine Ausfälle. Dae-Hee SHIN hat alles für den Luna:
einen gutgeführten, mit großer Legatofähigkeit versehenen Bariton, die
Verve für die Cabalette und Ensembles und eine bühnenbeherrschende Präsenz,
mit der er keinen eindimensionalen Schurken, wie von der Regie vorgesehen,
sondern einen facettenreichen Charakter darstellt. "Il balen" war mit
Sicherheit ein Höhepunkt dieses an Höhepunkten nicht gerade armen Abends.
Xu
CHANG kann den Manrico singen. Das allein ist schon erfreulich genug.
Es ist nicht nur, daß er zu phrasieren weiß, niemals brüllt und ohne zu
forcieren alle Töne hat, er kann es sich auch noch leisten, die "Stretta"
(zweistrophig!) nicht nur abzuliefern, sondern sogar zu gestalten. Auch
muß er die langen Bögen von "Ah si, ben mio" nicht fürchten. Daß sein
Timbre mich nicht unmittelbar ansprach, ist eher mein als sein Problem.
Nicht
zuletzt Jörn E. WERNER, der als Ferrando diesen musikalisch eindrucksvollen
Abend eröffnen durfte, trug mit großer, aber immer kontrolliert eingesetzter
Stimme, schönen Nuancierungen und erfreulicher Bühnenpräsenz zum Erfolg
bei.
Die
kleinen Rollen hielten dieses Niveau fast durchgehend mit Girn-Young JE
als sonorer Inez, Sang-Seon WON als präsenter alter Zigeuner und als Dongeon
KIM bemerkenswert schönstimmiger Bote. Nur Silvio WILD als Ruiz fiel ab.
Der
CHOR (Leitung Sierd QUARRÉ) meisterte seine umfangreichen Aufgaben sehr
gut und bewies, daß auch der Zigeunerchor unfallfrei über die Bühne gebracht
werden kann. Das Ganze wurde geleitet von der jungen Kapellmeisterin Elisa
GOGOU, die mir seit langer Zeit einmal wieder einen kompetent dirigierten
"Trovatore" zu Gehör brachte. Zu Beginn wählte sie eher langsame Tempi,
ohne dabei spannungslos zu sein, und steigerte später die Geschwindigkeit,
wobei sie immer sängerfreundlich blieb und Graben und Bühne problemlos
zusammenhielt. Die MEININGER HOFKAPELLE folgte ihr dabei bedingungslos
und ohne jeden Verspieler.
Die
Inszenierung von Aron STIEHL kann man in Teilen unter dem Prinzen-Song
"Alles nur geklaut" abhaken. Da finden sich Versatzstücke aus der "Trovatore"-Inszenierung
von Hans Neuenfels an der DOB (Klosterbild! Finale!), Bildern aus Abu
Ghraib (Azucenas per Photos festgehaltene Demütigung in der ersten Szene
des dritten Aktes als "Kapuzenmann") sowie Lunas Soldaten in franquistischen
Uniformen, den Zigeunern als Zwangsarbeitern mit rotem Quadrat auf der
Brust und Leonora als madonnengleiche Lichtgestalt (Ausstattung Jürgen
Franz KIRNER). So weit, so fad und ignorierbar.
Wie
meist in derartigen Fällen ist von einer durchdachten Personenregie nicht
wirklich etwas zu entdecken. Azucena als ihren Sohn manipulierende Rächerin
ist als Idee solange diskutabel, bis man überlegt, weswegen sie, wenn
sie denn genau weiß, was sie tut, ständig Wahnvorstellungen von Flammen
äußert. Ferrando als hochdekorierter und mehrfach verwundeter alter Haudegen
hat immerhin zwei publikumswirksame Auftritte aus dem Zuschauerraum.
Völlig
unverständlich ist, warum Manrico eigentlich ständig durch Projektionen
von Pilzen begleitet wird. Was soll das dem Zuschauer sagen? "Geh, stell
dich unter einen Pilz?", weil der Tenor nicht gerade über riesenhaften
Wuchs verfügt? Oder sollte es ein Beitrag zum fünfzigsten Geburtstag der
Schlümpfe werden? Die Ratlosigkeit der Rezensentin hierüber hält noch
immer an. MK
P.S.:
Du weißt, es gibt "Trovatore", wenn ein Engel sinnlos über die Bühne läuft,
und zwei kleine Jungs aufeinander losgehen…
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