Auch
die Staatsoper Hannover hat sich im vergangenen Jahr (in Koproduktion
mit dem Opernhaus Graz) eine neue "Tannhäuser"-Produktion zugelegt.
Leider
vereint die Inszenierung Philipp HIMMELMANN viele schlechte Regieeinfälle
der letzten Jahre mit ein paar neuen, wenig besseren Ideen. Kaum ein Stück,
abgesehen vielleicht von dem Über-Herausstellen der Kirchenkritik bei
Verdi, ist so sehr ausmoralisiert worden wie Wagners Wartburg/Venusberg-Erzählung.
Wie überflüssig, findet sich doch alles, was dazu gesagt werden müßte
in Text und Musik!
Scott
MacALLISTER, derzeit aus gutem Grund eine Art Handlungsreisender in Sachen
Tannhäuser, fand sich in dieser Inszenierung recht gut zu recht, auch
wenn sie seinem angeborenen Bewegungsdrang ob ihrer Tücken wegen nicht
entgegenkam. Über seine lyrische Herangehensweise an die Partie könnte
man streiten, wenn es nicht so wunderschön gesungen wäre, und die Spitzentöne
nicht jedes Mal sicher und klar kämen. Eine rundweg empfehlenswerte Interpretation.
Die
beiden Damen in seiner Gunst hatten beide ihre Stärken wie Schwächen.
Khatuna MIKABERIDZE war eine stimmlich beeindruckende Venus, die auch
eine gewisse Ironie im Spiel nicht vermissen ließ. Ihr Mezzosopran ist
sicherlich in Umfang und Bandbreite ausbaubar, die warmen Schattierungen
ihrer Stimme beeindruckten aber ebenso wie die Sicherheit, mit der sie
die Partie meisterte. Allein die Sprachbehandlung ist (noch) zu bekritteln.
Kelly
GOD kam sprachlich besser zu recht. Allerdings hätte ihrer Elisabeth ein
wenig mehr Selbstbewußtsein besser zu Gesicht gestanden. So rein auf die
mariengleiche Heilige reduziert, blieb die Rolle, wenn auch sauber gesungen,
ein wenig eindimensional, zumal man eben auch die stimmliche Strahlkraft
etwas vermißte.
Wolfram
von Eschenbach war dem sehr jung wirkenden Jin-Ho YOO anvertraut worden.
Eine gute Entscheidung, denn gesanglich beeindruckte der Bariton nicht
nur mit dem sehr schön auf Linie und liedhaft besungenen Abendstern, sondern
auch mit seinen beiden Auftritten im Sängerkrieg. Im Spiel wirkte er manchmal
ein wenig überschüchtern.
Albert
PESENDORF gab einen unangenehmen Landgrafen, der einmal wegen der Regieidee
des lüsternen Greises mit Doppelmoral, andererseits auch wegen seiner
schlecht geführten Stimme wenig Sympathie gewinnen konnte.
Wesentlich
angenehmer präsentierten sich da Pedro VELAQUEZ DIAZ (Walther) mit attraktivem,
glockenreinem Tenor, Young Myoung KWON als polteriger, aber gut disponierter
Biterolf sowie Hans SOJER (Heinrich der Schreiber) und Pawel CZEKALA (Reinmar
von Zweter). Anja WEGRZYN sang schönstimmig einen quicklebendigen Hirten
und durfte ein Schaf knuddeln.
CHOR
und EXTRACHOR (Leitung: Dan RATIU) ließen eine souveräne Leistung hören.
Im Großen und Ganzen einig, bewältigten sie ihre Aufgaben mit Engagement.
Bedauerlicherweise
ließ das Dirigat von Walter E. GUGERBAUER einiges an musikalischer Inspiration
vermissen. Man muß Wagner nicht mit derart gedehnten Tempi spielen. Würde
und (falsche) Heiligkeit strahlt diese Musik an den richtigen Stellen
von selbst aus. Das NIEDERSÄCHSISCHE STAATSORCHESTER folgte dem Dirigenten,
ohne wirklich zu glänzen.
Die
Kostüme (Petra BONGARD) waren wenig erinnerungswert. Das Tannhäuser-Kostüm
saß allerdings überhaupt nicht. Zumindest waren die historischen Kostüme
im Sängerkrieg recht nett.
Zur
Grundausstattung der Bühne (Bühnenbild: Elisabeth PEDROSS) gehört auch
in Hannover ein stadionähnliches Gerüst mit Sitzplätzen und Treppenaufgängen,
das den wenigen Venusbergeinwohnerinnen ebenso als Spielfläche dient wie
als Aufmarschplatz für das Publikum des Sängerkrieges.
Die
Bühnenmitte variiert dagegen. In den Venusberg-Momenten ist sie ein überdimensioniertes
Wasserbecken, in dem die Sänger knöcheltief (und platschend) herumwaten
bzw. Venus sich am Ende aalt, und dem Tannhäuser gleich einem Sumpf der
Unmoral entsteigt. Ansonsten ist sie mit einem Marienaltar versehen, auf
dem Elisabeth schließlich die Rolle der Heiligen übernimmt und samt kompletter
Bühnenmitte herauf wie hinab gefahren wird.
Der
einzig gute Einfall - der Landgraf und sein Gefolge sind nicht zur Jagd,
sondern zum Golfen unterwegs - verblaßt schnell, ob der restlichen Konzeptlosigkeit.
Möchte
man also tatsächlich einen kaugummikauenden dem (moralischen) Sumpf entsteigenden
Tannhäuser? Eigentlich nicht, denn trotz aller Moral und dem katholischen
Zeigefinger am Schluß ist Wagners "Tannhäuser" doch eine romantische Oper.
AHS
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