Gegen Ende des diesjährigen Rossini-Festivals konnte man ein musikalisches Kleinod auskosten, nämlich einen Spätnachmittag mit anspruchsvollem Liedprogramm, vorgetragen von Gregory KUNDE, der für seinen erkrankten Kollegen Chris Merritt kurzfristig einsprang und mit seinem hochkäritigen Vortrag das Ende des diesjährigen Festivals einläutete.

Dazu erwählte er sich die Pianistin Beryl CARVER, die einfühlsam und auf die Stimme fixiert, dieses Liedprogramm begleitete. Gregory Kunde erwählte Lieder von Komponisten aller europäischen Sprachen, wohl als Homage an das anwesende internationale Publikum, die er mit äußerster tenoraler Stimmpräzision und Einfühlvermögen vortrug, so daß man den Inhalt der jeweiligen Lieder sehr gut verstehen konnte. Mit einer pianireichen Darbietung der "Adelaide" von Beethoven, drei Liedern von Henri Duparc (hier besonders eindrucksvoll mit viel Dramatik "Le manoir de Rosemonde"), drei Liedern von Amy Marcy Cheney Beach, einem selten gehörten Liedkomponisten, ebenso wie Édouard-Victor-Antoine Lalo, von dem er ebenso drei Lieder vortrug, glänzte er bei Beach mit "Ah, Love, but a Day!" und bei Lalo mit einem heiteren Vortrag in "Dieu qui sourit et qui donne".

Natürlich durfte Gioachino Rossini mit "Da Péchés de vieillesse", Vol. XIII, Musique Anodine "Mi lagnerò tacendo" nicht fehlen. Mit N. 1 und N. 3 sang sich der glänzend disponierte Gregory Kunde endgültig in die Rossini gewohnten Ohren der Anwesenden.

Mit zwei Zugaben, die sich das Publikum durch anhaltenden Beifall erzwang, verließ man nach der letzten Zugabe des Künstler, mit einer Träne im Auge ("Una furtiva lacrima") das Teatro Rossini und das Rossini-Festival, das in 2007 einige musikalische Höhepunkte aufwies, wie die selten gespielte "Diebische Elster" ("La gazza ladra" - mit einem herausragenden Michele PERTUSI als dem Podestà Gottardo unter der präzisen Stabführung von Lü JIA), einem "Otello" mit zwei Tenören von Weltklasse (Gregory Kunde in der Titelrolle und Juan Diego FLORÉZ als Rodrigo) sowie einer Entdeckung eines zukünftigen Weltstars im Sopranfach Mariola CANTERERO in "Le nozze di Tet"i, und sah noch eine glücklicherweise "nostalgische" Inszenierung des "Turco in Italia" mit einem sehr gut singenden Marco VINCO in der Titelrolle.

Das alljährliche Rossini-Festival bietet seinem Besucher neben einem erholsamen Urlaub am Meer immer wieder allabendliche musikalische Spitzendarbietungen in Oper und Konzert (in diesem Jahr Rossinis Spätwertk, die selten gehörte "Petite Messe Solenelle" in einer kaum zu überbietenden Besetzung wie Iano TAMAR, Daniela BARCELLONA, Saimir PIRGU und Michele PERTUSI) und mag dadurch für Rossini-Liebhaber zu den beliebtesten Sommerfestspielstätten zählen. Irene Stenzel