Keine
heiße Affäre ist es, die Simone bei seiner unerwarteten Heimkehr entdecken
muß. Trotzdem, vielleicht aufgrund der (überflüssig) anwesenden Eros-
und Aphrodite-Figuren, weiß er genau, daß seine Frau Bianca ihn mit dem
anwesenden Guido Bardi betrügt. Aber vielleicht läßt sich Gewinn schlagen
aus der Anwesenheit des reichen Prinzen von Florenz. So spielt Simone
das Spiel mit, tut, also ob ein reicher Kunde Stoffe kaufen will.
Bei
Regisseur Udo SAMEL spielt das Stück in der Schwüle der Jahrhundertwende,
und vermutlich eher in Wien als Florenz. Dafür hat ihm Bühnenbildner Tobias
HOHEISEL einen Jugendstilsalon gebaut mit kirschfarbener Holzverkleidung
bis unter die Decke, kaum Fenster, edel, aber bedrückend. Da hilft auch
die Modelleisenbahn nicht, mit der der Hausherr wohl seine Freizeit verbringt.
Alles ist gedämpft aber nicht minder brodelnd. Mittelpunkt des Ganzen
ist Bianca (optisch auf Alma Mahler getrimmt, Kostüme: Eva DESSECKER),
obwohl sie hier nach außen extrem zurückgenommen ist. Keine Ausbrüche,
kein wildes Gebaren der entdeckten Frau, sondern die absolute Ruhe. Wie
eine Raubkatze, leise auf der Lauer, beobachtet sie das Spiel der Männer,
scheint aber trotzdem Regie zu führen, in ihrer Ruhe die beiden nur noch
mehr aufzustacheln, bis hin zu ihrer "Töt ihn!" Aufforderung an den Liebhaber.
Als dieser dann von Simone erwürgt am Boden liegt, sollte das Ehepaar
eigentlich in einem erotischen Rausch der Gewalt wieder zueinander finden,
aber Samel läßt das nicht zu. Die Nähe des Versöhnungskusses nutzt Bianca,
ihren Mann zu erstechen.
Zemlinskys
Musik ist, besonders in diesem Stück, ein einziger überbordender Rausch,
dem man sich nicht entziehen kann. Eine Gefahr, die auch dem Dirigenten
droht, dem es ein leichtes ist, die Sänger in die Unverständlichkeit zu
schicken. Paul DANIEL konnte sich dieser Versuchung nicht ganz entziehen
und das FRANKFURTER MUSEUMSORCHESTER machte klangschön mit. Eine kleine
Hilfe wären trotz der deutschen Sprache Übertitel gewesen.
Claudia
MAHNKE erfüllt das Regiekonzept vollkommen, mit ihrer starren Beobachtung
und den intensiven aber zurückhaltenden Kommentaren. Dagegen ist nicht
ganz klar, wo der Reiz des Guido von Carsten SÜß liegt. Er steuert wenig
bei, was eine Frau wie Bianca reizen könnte, vielleicht ist jeder Mann
besser als der ihre. Robert HAYWARDs Simone dagegen durchläuft alle Facetten
von schmierigem Geschäftsmann, über den sich aufbäumenden Betrogenen zum
lustvollen Racheengel.
Auch
das zweite Stück des Abends beruht auf einem Märchen von Oscar Wilde.
"Der Zwerg" erzählt nun endlich die Geschichte des hässlichen Mannes,
die Zemlinsky schon mit den "Gezeichneten" hatte erzählen wollen, nur
das der Librettist Franz Schreker das Stück dann doch lieber selbst komponierte.
Zemlinsky war das Thema allerdings zu nah, als daß er es fallen lassen
wollte. Die Geschichte des verwachsenen hässlichen Zwerges, der um seine
Hässlichkeit nicht weiß, da er nie einen Spiegel sah, traf einen Nerv.
Diesmal
hat Hoheisel einen luftigen Gartensaal entworfen, mit Blick auf grüne
Hecken. Einige der Wände und Säulen sind mit Spiegeln verziert, die natürlich
rechtzeitig notdürftig verhängt werden, da man den Zwerg nicht verletzen
will. Dieser ist das Geburtstagsgeschenk eines Sultans für die Infantin
von Spanien, die nebst ihren Gespielinnen zunächst voller Aufregung gegen
das Hofzeremoniell aufbegehrt, dann aber doch brav in ihren aufwendigen
Velazquez-Kostümen (Kostüme hier Tobias Hoheisel) feiert.
Wie
will man einen verwachsenen Zwerg auf die Bühne bringen? Samel lässt Peter
BRONDER in schlichtem Schwarz auftreten, daß seine Schmächtigkeit betont,
mit weiß-grauer Glatthaarfrisur, ein Mann ohne Alter, ohne besondere Merkmale,
nicht humpelnd, nicht bucklig, sondern stolz in gerader Haltung, eine
edle Erscheinung. Seine Andersartigkeit ist der Stolz, sein Selbstbewußtsein.
Für ihn ist völlig klar, daß die Infantin sich in ihn verlieben kann.
Als die später gelangweilte Prinzessin Order gibt, dem Zwerg den Spiegel
vor zuhalten, tut sie dies ebenfalls eher gelangweilt, will der Belästigung
ein Ende manchen, denn aus echter Bosheit. Die Tücher werden entfernt,
der Zwerg bricht in ungläubige Verzweiflung aus, von Bronder hervorragend
gesungen und gespielt bis er am Ende tot zusammenbricht.
Außer
dem Zwerg bleiben die Figuren seltsam blaß. Die Infantin (eine kindliche
Juanita LASCARRO) scheint keine große Persönlichkeit zu haben und auch
ihre Zofe Ghita (Sonja MÜHLECK), die die Spiegel enthüllen muß, nimmt
diesen Auftrag ohne übermäßige Skrupel hin. Einzig der Haushofmeister
(Florian PLOCK) scheint als einziger Mann in diesem "Frauenhaushalt" versucht
mit viel Energie, Ordnung zu halten.
Im
Zwerg ist die Balance zwischen Musik und Gesang ausgeglichener, was Daniel
in den expressionistischen Klängen gut zu gewichten verstand.
Zwei
auch nach 90 Jahren (Uraufführungen 1917 bzw. 1922) mitreißende Werke,
die mehr Publikum verdient hätten, als es an diesem Abend in Frankfurt
der Fall war. KS
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