"Tiefland"
war lange eine Rarität auf den Spielplänen, doch jetzt erlebt eine Renaissance.
Nicht nur, daß sich diverse Opernhäuser auf einmal wieder für das Stück
interessieren, auch finden sich plötzlich zahlreiche prominente Sänger
und Dirigenten, die äußern, die Opern gerne aufführen zu wollen. Es wäre
interessant zu klären, woher dieses Interesse kommt.
Anselm
WEBER hat das Stück in eine moderne Mühle heutiger Bauart (Bühnenbild:
Hermann FEUCHTER) verlegt, was ebensowenig weiter stört wie die entsprechenden
Kostüme (Bettina WALTER). Ansonsten ist das Ganze brav vom Blatt inszeniert;
richtigerweise ist das Augenmerk auf die Personenregie verlegt. Dabei
sind die Figuren sehr genau gezeichnet. Ein sehr hübscher Moment ist der
Schluß, wenn eines der Dorfweiber noch schnell die Rolex des toten Sebastiano
mopst. Unverständlich ist allerdings die Moulin rouge-Nummer zu Martas
Tanz im zweiten Akt nebst halb nackten Bauchtänzerinnen. Es ist nicht
nachzuvollziehen, was der Regisseur uns damit sagen wollte, zumal es zur
restlichen Inszenierung nicht wirklich zu passen scheint.
Man
kann John TRELEAVEN als Pedro nicht absprechen, daß er sich engagiert.
Er spielt sich fast wund, er schont sich stimmlich nicht. Problematisch
ist dabei allerdings, daß er dabei für meinen Geschmack zu wenig legato
singt, zu sehr wie deutscher Wagner-Tenor klingt. Zudem sind seine Höhen
nicht optimal an den Rest der Stimme angebunden, werden mit zu großer
Kraft herausgestoßen und klingen eng sowie teilweise kratzig.
Michaela
SCHUSTER (Marta) ist stimmlich ohne jeden Tadel. Sie verfügt über eine
große, in jeder Lage perfekt geführte Stimme, die nicht einmal an Grenzen
stößt. Von der gesanglichen Seite her eine ganz große Leistung. Darstellerisch
konnte ich allerdings nicht ganz mit ihr glücklich werden. Ein seit früher
Jugend mißbrauchtes Mädchen vermochte ich ihr nicht vollständig abzunehmen,
dazu wirkte sie zu urgesund. Sie hätte Sebastiano wahrscheinlich eher
selbst mit bloßen Händen erwürgt.
Ihr
Peiniger Sebastiano wird ideal von Lucio GALLO verkörpert. Bis zur letzten
Szene ganz überheblicher Herr über alles, der mit allem durchkommt, kommt
der vollständige Zusammenbruch umso heftiger. Gelegentlich blitzt unter
der Oberfläche eine Besessenheit von Marta durch, die schon ins Pathologische
neigt. Auch stimmlich macht der Bariton dies deutlich, von kommandierenden
Fortetönen bis zu kaum hörbaren piani kommen sogar die Stimmungsschwankungen
der Figur innerhalb einer einzigen Phrasen zum Ausdruck.
Es
spricht für das Opernhaus Frankfurt, daß es in den kleineren Partien seine
ersten Kräfte eingesetzt hat. Juanita LASCARRO ist als Nuri sehr kindlich,
ohne dabei wie eine Erwachsene zu wirken, die ein Kind spielt. Sie singt
und spielt einfach berührend und ohne jeden Makel. Magnus BALDVINSSON
bewegt sich als Tommaso vielleicht ein wenig zu jugendlich, stimmlich
bietet er imponierende Baßtöne und ist schlichtweg überzeugend.
Peter
MARSHs Nando bleibt, obgleich er ja nur im Vorspiel auftritt, durch extreme
Wortdeutlichkeit und gute Phrasierung sowie große darstellerische Präsenz,
in Erinnerung. Die drei "Hexen" (die Dorfweiber Antonia, Pepa und Rosalia)
sind durch Claudia MAHNKE, Sonja MÜHLECK und Elzbieta ARDAM auf kaum überbietbar
hohem Gesangsniveau besetzt, dazu waren sie auch noch wunderbar zickig.
Lediglich
Gérard LAVALLE (Moruccio/eine Stimme) kann mit seiner an einigen Stellen
einfach flach und ausgesungen klingenden Stimme nicht mithalten; als Type
ist er allerdings exzellent.
Das
ohne jeden Tadel spielende FRANKFURTER MUSEUMSORCHESTER schwelgt unter
der Leitung von Sebastian WEIGLE durch die Partitur. Weigle schafft es,
sogar die leicht operettig klingenden Teile der Partitur aufzuwerten.
Ansonsten läßt er die Leidenschaft lodern, man versteht sofort, daß das
Stück ein Herzensanliegen von ihm ist. Ein Sonderlob gebührt der Soloklarinettistin
Martina BECK, die ihre Soli im Vorspiel sogar auf der Bühne absolvieren
durfte. Der CHOR erledigt seine Aufgaben kompetent. MK
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