Dieser
kleine Tiroler Erholungsort Erl, der bislang bekannt war durch seine Passionsspiele,
entwickelt sich im Laufe der Jahre, wo man seit zehn Jahren dort alljährlich
das Passionspielhaus für Opernaufführungen nutzt (Gründungsidee Prof.
Dr. Gustav KUHN, künstlerischer Leiter, Dirigent und Regisseur), zu einem
2. Bayreuth. Auch hier gibt es schon naturgemäß einige grüne Hügel, die
man auch innerhalb des am Berghang gelegenen Festspielhauses zu erklimmen
versucht, und man kann dort, zumindest in dieser Saison, jeden Tag eine
Oper von Richard Wagner in hervorragender musikalischer und sängerischer
Qualität erleben.
Diesesmal
war es leider nur möglich, aus München wegen der dortigen Opernfestspiele
für eine Aufführung anzureisen, nämlich der "Götterdämmerung", die in
einer schlichten werksgetreuen Inszenierung und Regie von Gustav Kuhn
zu einem unvergeßlichen Erlebnis wurde. So wurde das ganze Haus einschließlich
der Ortsansässigen mit in das Handlungsgeschehen einbezogen. Siegfried
mit Tarnkappe am Gürtel (eine Art Tiroler Hut wohl als Referenz zum Festspielort)
erschien am Hofe Gunthers in einem von der Erler Feuerwehr (verkleidet
als Vassallen am Hof) getragenen Rheinschiff mit Holzpferd, und es gab
das in dieser Oper so wichtige Feuer - keine Bange, man hatte ja die Feuerwehr
vor Ort - und konnte die Handlung dadurch gut zeichnen. Das Bühnenbild,
für das sich Jörg NEUMANN verantwortlich zeigt, und die Kostüme von Lenka
RADECKY waren gut erdacht und unterstrichen sinnvoll das Handlungsgeschehen.
Besonders
beeindruckend ist immer Gustav Kuhns Idee, das ORCHESTER hinter die Bühne
zu postieren - hier sehr gut die beiden Solohornisten Julian ZBARCEA und
Markus HÖLLER. Dadurch wird ein besonders weicher und melodischer Klang
erzeugt, der durch das einfühlsame Dirigat von Gustav Kuhn noch unterstrichen
wird, der auch jeden Abend bei diesem Wagnermarathon die Stabführung inne
hat. So seelenvoll und ausdrucksbetont habe ich die Musik Richard Wagners
lange nicht genießen können.
An
diesem Abend stand ihm auch ein großartiges Sängerensemble zur Verfügung,
Sänger, die sich der Schöpfer von Erl aus aller Herrenländer holt. Die
Tenorrolle wurde von Jürgen MÜLLER sehr gut verkörpert, ein Siegfried
mit sehr guten ausdrucksvollen kräfigen rollengerechten Tenorhöhen und
guter Gestaltungsfähigkeit seiner Partie. Michael KUPFER als in der Brautnacht
koksender Gunther - anfänglich eine Heino-Immitation mit Sonnenbrille
und weißblondem Haar - zeichnete diese Partie bestdisponiert sehr gut.
Seine
Schwester Gudrune, von Gertrud OTTENTAL gesungen, meisterte ihre Partie
sehr ordentlich in dieser dekadenten Hofgesellschaft. Auszuzeichnen ist
die Leistung des durch einen Sturz bei der Probe verletzten Hagen Andrea
SILVESTRELLI, dessen Bass sich den sog. schwarzen Bässen anzugleichen
versuchte. Thomas GAZHELI als Alberich vermochte in seinem kurzen Auftritt
diese zwielichtige Figur stimmlich schon zu Beginn mit "Schläfst Du, Hagen,
mein Sohn" als Drahtzieher des ganzen Geschehens charakterlich dämonisch
zeichnen.
Die
Brünnhilde mit Brigitte WOHLFAHRT zu besetzen, war ein Gewinn für diesen
letzten Ringabend. Mit bei Wagner-Opern selten erklingenden weichen gefühlvollen
und doch kräftigen Soprantönen und einer geglückten Darstellung dieser
Figur wäre der Komponist äußerst angetan. Besonders beeindruckend Brünnhildes
Schlußgesang "Starke Scheite". Waltraude mit wehendem Walkürenschleier,
gesungen von Monika WAECKERLE, konnte ihre Erzählung rollengerecht nahe
bringen.
Die
drei schicksalwebenden Nornen Svetlana SIDOROVA DI SANGHI, Hale AL ORFALI
und Susanne GEB zeichnete eine perfekte Stimmharmonie aus, was man bei
den "japanischen "Rheintöchtern" Akiko HAYASHIDA, Junko SAITO und Taeka
HINO ebenso empfand.
Einige
der Auftretenden gehören der von Prof. Dr. Gustav Kuhn gegründete Accademia
die Montegral an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die berufliche
Weiterbildung von jungen Künstlern zu fördern. Eine besonderes Lob gilt
dem CHOR DER FESTSPIELE ERL unter der Leitung von Jacek BEN - hier besonders
beeindruckend die Chorleistung der Herren im 3. Akt.
Den
totalen Untergang verhinderten spielende Kinder in Tiroler Landestracht,
und die Rheintöchter spielten librettogerecht mit ihrem wieder erhaltenen
Gold. Die Weltkugel dreht sich weiter...
In
Erl finden finden Richard-Wagner-Freunde ihre Bleibe, zumal Bayreuth-Karten
für Normalbürger selten (man wartet jetzt schon elf Jahre) zu bekommen
sind. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Irene Stenzel
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