Das
läßt sich sagen: Juliane Votteler, die neue Intendantin in Augsburg setzt
nicht auf alt Bewährtes. Denn wer kennt schon "Schwanda, den Dudelsackpfeifer"
aus dem böhmischen Strakonitz? Dabei war der Oper von Jaromír Weinberger
nach ihrer Uraufführung 1927 ein großer Siegeszug beschieden mit ca. 2000
Aufführungen weltweit in den ersten Jahren. Erst danach geriet die Oper
des böhmischen Juden, der sich 1967 das Leben nahm, in Vergessenheit.
Allerdings
ist man während der über zehnminütigen Ouvertüre beinahe geneigt, gelangweilt
auf die Uhr zu sehen. Klare Melodien wechseln sich ab, während derer der
Alltag Schwandas und seiner Frau Dorota als stummes Spiel immer gleich
abläuft. Die Bedeutung dieses Kunstgriffs von Regisseur Paul CURRAN wird
klar, wenn sich Schwanda, der immerhin erst seit einer Woche mit der Frau
seines Herzens verheiratet ist, vom edlen Räuber Babinsky überreden läßt,
die Königin mit dem eisigen Herzen aufzusuchen und sie durch sein Spiel
zu befreien. Welcher Mann in einem Märchen könnte dem widerstehen?
Hier
aber bricht Curran mit dem Märchen. Seine Königin ist Protagonistin in
einem (Stumm-)Film der zwanziger Jahre, während der langen Verwandlungsmusik
baut sich ein ganzes Filmset auf, das so manch einem Augsburger Operngänger
ein kurzes Déjà-vu bereitet haben mag. Auch Martinus Oper "Die drei Wünsche",
vor fünf Jahren in Augsburg zu erleben, läßt uns an einer Filmproduktion
teilhaben. Nur bei Martinu war es Teil der Handlung, hier ist es Kunstgriff
des Regisseurs, sich durch diese Brechung aus der schwierigen Märchensituation
zu befreien. Wirkt dies im Filmakt noch etwas unbeholfen, so steigert
sich die Produktion stetig. Märchenhafter Filmtrick, wenn das riesige
schwingende Beil, das Schwanda, der der Königin leichtfertig die Hochzeit
versprach, hinrichten soll, sich in einen Besen verwandelt. Ebenso märchenhaft,
wenn Schwanda, endlich wieder daheim eine Lüge schwört, worauf er umgehend
mit viel Schwefelrauch in die Hölle fährt.
Dort
schaut man bereits amüsiert den entstandenen Film. Und wer sich dort alles
tummelt: Jeanne d'Arc, Osama Bin Laden, Hitler, Marlene Dietrich, Mary
Stuart nebst "Schwester" Elizabeth, Kaiser Wilhelm II und und und. Die
Stimmung ist eigentlich gut, wenn doch Schwanda nur auf seinem Dudelsack
spielen würde. Tut er aber nicht. Derweil macht sich Babinsky aus Liebe
zu Dorata auf, Schwandas Seele zu retten, was er mit einem Kartenspiel
gegen den Teufel auch zu Wege bringt. Hier zeigt sich der ganze Humor
von Weinbergers Musik und die Größe des deutschen Librettos von Max Brod.
Der so gerettete Schwanda spielt nun doch in einer irrwitzigen Fugen-Polka
zum Tanz auf und darf heim zu seiner geliebten Dorota. Der Volksempfänger
spielt ein tschechisches Volkslied, und wenn sie nicht gestorben sind…
Weinbergers
Musik ist ein Zitaten- und Als-ob-Schatz, der von Schreker über Dvorák
zu Reger und Smetana reicht, nicht zu vergessen die böhmische Folklore.
Ein wilder Reigen, der sich trotzdem klar in den zwanziger Jahren des
letzten Jahrhunderts verorten läßt. Rudolf PIEHLMAYER und das PHILHARMONISCHE
ORCHESTER AUGSBURG bringen die Musik mit Raffinesse auf den Punkt und
die Sängertruppe genießt ihren Einsatz.
Allen
voran Johannes Martin KRÄNZLE als freundlich schlitzohriger Schwanda,
der allerdings bei der Abgebrühtheit von Tilmann UNGERs Babinsky noch
einiges lernen kann, wenn der nicht gerade mit der Höhe seiner Partie
kämpfte. Sally DU RANDT läßt etwas das Mädchenhafte vermissen, sowohl
in der Darstellung als auch in der Weichheit der Stimme. Kerstin DESCHER
überzeugte in der Rolle der "vereisten" Königin, und Christian TSCHELEBIEW
war als Teufel nach seiner Niederlage im Kartenspiel und verlorener halber
Hölle ein wahrlich kläglicher Anblick.
Am
Ende war gut zu verstehen, was die Faszination des Werkes bei seiner Uraufführung
gewesen sein muß, und man hofft auf weitere Wiederentdeckungen in Augsburg.
KS
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