In
einer konzertanten Fassung brachte das seit kurzem auch wieder unter einem
Intendanten stehende Theater in Kiel Verdis viel zu selten gespielte "Forza".
Gerade, daß es keine Produktion gab, stellte ein Problem dar. Diese Oper
ist ja eine, in der relativ viel passiert, und da wäre es doch sehr nett
gewesen, wenn gewisse Handlungen zumindest rudimentär dargestellt worden
wären. Sorry, aber wenn ich nur anhand der Übertitelungsanlage mitgeteilt
kriege (oder eben von einem Opernführer), daß der Marchese di Calatrava
von einem sich zufällig gelöst habenden Schuß getötet wurde, wo er doch
noch quicklebendig auf der Bühne stand, oder wenn bei einem Liebesduett
keiner der Beteiligten den anderen auch nur eines Blickes würdigte, weil
der männliche Part nicht die schwarzen Pupillen der Partnerin, sondern
die schwarzen Punkte auf dem Notenblatt anstarrte, kann sich über so etwas
nicht viel Gedanken gemacht worden sein... Schade eigentlich, da es doch
so einige Sänger gab, die zeigten, daß sie dazu durchaus darstellerisches
Potential haben (könnten).
Zu
diesen zählte sich leider nicht Emmanuel di VILLAROSA (Alvaro), bei dem
ich regelrecht erschrak, als er in seiner Arie plötzlich die Arme zu einer
albernen Klischee-Geste à la "Wenn ich schon über den Gesang keine Emotionen
erzeuge, dann vielleicht so!" erhob. Sicherlich ist es schön, einen Sänger
zu hören, der sich auch vor Piani nicht scheut, aber leider blieb er der
Rolle eigentlich alles schuldig. Dazu kam noch eine nicht sehr große musikalische
Intelligenz, da er am Schluß seiner Arie den hohen Ton ins Nachspiel hielt
und im "Solenne in quest'ora" das vorletzte "Addio" viel zu früh begann.
Schade...
Glücklicherweise
war der Rest der Besetzung fast ausnahmslos auf sehr hohem Niveau, v.a.
die tiefen Männer, allen voran der Carlo von Jooil CHOI, der sicherlich
nicht über die tollste Stimme oder eine prächtige Höhe verfügt, dafür
daraus viel machte und ein großartiges Porträt lieferte, das sich gewaschen
hat. Er schaffte es tatsächlich, die Rolle zu entwickeln, was sich insbesondere
im "Solenne in quest'ora" manifestierte, das er sehr zart begann, um sich
dann, da Carlo mehr und mehr ahnt, mit wem er es zu tun hat, am Schluß
den rachsüchtigen Bruder/Sohn hervorzukehren. Gelegentlich, aber selten,
fand ich, daß er ein klein bißchen zu viel des Guten tat, was aber auch
daran liegen könnte, daß er einfach Raum zu Spielen braucht. Seine Gesten
ließen solches erahnen...
Die
Leonora von Tatiana PLOTNIKOWA gefiel nach etwas flauem Beginn mit einer
angemessen dramatischen Stimme und einer Interpretation, die aus der Rolle
mehr machte, als sie eigentlich hergibt. Auch bei ihr konnte ich mich
des Eindrucks nicht erwehren, daß sie die Bühne als Spielfläche braucht.
Jedenfalls machten sie und Choi mir Lust darauf, mir evtl. die "Tosca"
anzuschauen, in der beide wohl mitwirken.
Die
Tatsache, daß der Vater des koreanischen Carlo auch von dort stammt, wohingegen
die Leonora aus Rußland kommt, läßt Raum für so einige Spekulationen...
Naja, jedenfalls ließ Chan Il SEOK als Calatrava einen durchaus interessanten
Baß vernehmen. Hans Georg AHRENShrens vermochte trotz hohler Stimme als
Guardian zu überzeugen. Ein absoluter Gewinn war der Fra Melitone von
Hye-Soo SONN, dem schändlicherweise zwei Szenen gestrichen wurden. Steffen
DOBERAUER (Trabuco) fand nach nicht so tollem Beginn im "A buon mercato"
zu guter Form. Weiterhin fiel Andrzej BERNAGIEWICZ (Alcalde/Chirurg) höchst
positiv auf.
Während
Carmen CARDÁN (Curra) in den Noten vergeblich nach geraden Tönen suchte,
ließ sich Marina FIDELI (Preziosilla) vom Chor im Rataplan die Show stehlen
und von diesem komplett gegen die Wand singen, dazu trug sie ein Outfit,
dessen Oberteil im grellsten Pink sich heftigste Kämpfe mit dem orange-karierten
Rock lieferte - die Verlierer waren die Augen der Zuschauer.
Unter
dem Dirigat von Johannes WILLIG spielte das PHILHARMONISCHE ORCHESTER
KIEL einen detailfreudigen und v.a. sängerfreundlichen Verdi. In den lyrischen
Passagen, hätte es gerne etwas schneller und spannender sein können, aber
dafür waren die schmissigen eigentlich genauso schön schmissig, wie ich
es mag. Eine hervorragende und tadellose Leistung ist dem CHOR (David
MAIWALD) zu bescheinigen. WFS
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