Es
war mein zweiter Besuch in Frankfurt, um in die Oper zu gehen, und es
war auch dieses Mal einer jener raren magischen Abende. Wenn dies das
normale Niveau des Frankfurter Opernhauses sein sollte, kann man nur sagen:
"Glückliches Frankfurt!"
Peter
MUSSBACH, in Personalunion Regisseur, Bühnenbildner und für das Licht
verantwortlich, setzt vor allem auf Lichteffekte und Personenführung.
Wenn mit beidem so virtuos gearbeitet wird, dann ist ein karges Bühnenbild
eher von Vorteil, da es nicht ablenkt. Es gibt gelegentlich angedeutete
Häuser, die bewegt werden, aber der Fokus bleibt auf den Figuren, die
sehr sorgfältig gearbeitet wurden.
Giovanni
wird relativ brutal gezeichnet, der Tod des Komturs ist alles andere als
ein Unfall, im Finale des ersten Aktes entkommt er, da er eben einmal
Zerlina als Geisel nimmt, und überhaupt ist er sehr schnell mit dem Messer
zur Hand. Aber trotzdem gelingt es Mussbach, die Figur nicht gänzlich
unsympathisch herüber kommen zu lassen. Man versteht, wieso die Frauen
trotz allem immer und vor allem immer wieder auf Giovanni fliegen. Dazu
kommen zahlreiche clevere Einfälle, so das Verschwinden der Leiche des
Komturs von der Bühne, das fast wie ein Zaubertrick wirkt, die Szene auf
dem Friedhof zwischen Ottavio und Anna, die sich jeder auf einer Seite
einer in der Mitte durchbrochenen Brücke befinden, und vor allem die Höllenfahrt
mit viel Feuerzauber. Insgesamt kommen weder Dramma noch giocoso zu kurz,
denn es gibt viel Gelegenheit, auch einmal befreit aufzulachen.
Saskia
BLADT ist es zu danken, daß die Produktion in der 60. Vorstellung so frisch
wirkte, als habe sie gerade erst Premiere gehabt. Die Kostüme von Joachim
HERZOG sind eine echte Augenweide, zeitlos schön, kleidsam, abwechslungsreich.
Und es ist nie ein Fehler, einen attraktiven Schurken ganz in Schwarz
zu kleiden...
Die
Frankfurter Oper gönnte sich für diesen einen Abend Lucio GALLO als Giovanni,
und der tat alles, um die Bezeichnung des Abends als "Gala" zu rechtfertigen.
Mit der eleganten Geschmeidigkeit und Gefährlichkeit einer Raubkatze umgarnt
er seine Opfer. Seine Sprachbehandlung war wie immer vorbildlich, selbst
ohne Italienischkenntnisse hätte man jedes Wort verstehen können. Auch
nachdem Gallo mittlerweile mehr dramatischen Verdi und Wagner singt, und
der Bariton über ein entsprechendes stimmliches Volumen verfügt, besitzt
die Stimme die alte Virtuosität für eine halsbrecherisch schnell genommene
Champagner-Arie und ein schmeichelndes, mit vielen pianissimi gespicktes
Ständchen.
Soon-Won
KANG war ein kongenialer Leporello. Vielleicht war die Stimme zu Beginn
ein wenig trocken, was sich aber schnell legte. Beweglich in jeder Beziehung
tobte er über die Bühne, proletarisches Abbild seines eleganteren Herrn
statt alberner Clown. Sehr hübsch war seine Beziehung zu Elvira gearbeitet,
bei der man durchaus auf die Idee kommen konnte, daß zwischen beiden etwas
möglich wäre, gäbe es nicht die Standesunterschiede. Juanita LASCARRO
schaffte es, Donna Elvira weder als Rachefurie, noch als Trauerweide darzustellen.
Hier stand einfach eine zutiefst verletzte attraktive junge Frau auf der
Bühne, die um das kämpft, was von Rechts wegen ihr gehört. Die Stimme
war, ohne je an Grenzen zu stoßen, von aufblühender Schönheit.
Obgleich
Edgaras MONTVIDAS seinen Ottavio schauspielerisch sehr zögerlich und bedächtig
agieren ließ, wie es der Rolle ja durchaus entspricht, war hiervon gesanglich
nichts zu merken. Es war ein sehr viril timbrierter Tenor zu hören, der
über das Mozart-Fach hinausweist, trotzdem aber mit den Koloraturen keinerlei
Schwierigkeiten hatte. Eine sehr erfreuliche Begegnung. Der Komtur von
Magnus BALDVINSSON war sowohl zu Beginn als auch im Finale von beeindruckender
Autorität, was Stimme und Darstellung angeht, zumal er mehr wie ein Geist
denn eine Statue wirkte, was die Szene nur stärker und lebendiger erscheinen
ließ.
Für
die Zerlina von Yana EMINOVA fällt einem eigentlich kein anderes Attribut
als "bezaubernd" ein. Eine gut geführte junge lyrische Stimme, eine hübsche
Erscheinung und eine Ausstrahlung mit der richtigen Mischung aus Unschuld
und Gerissenheit, die Giovanni aufmerksam werden lassen muß. Zu Beginn
ein wenig schüchtern wirkend war ihr Masetto Florian PLOCK, der jedoch
schon bei seinem zweiten Auftritt deutlich an Selbstbewußtsein gewann
und in seiner Verzweiflung über seine Machtlosigkeit rührte. Zudem ließ
er einen schöntimbrierten Baß hören, der sicherlich zu Größerem berufen
ist.
Einzig
die Donna Anna von Hope BRIGGS fiel dagegen leicht ab. Sie bot schönes
Material in der tiefen und mittleren Lage, aber sobald es in die Extremhöhen
ging, wurden die Töne mitunter unsauber, was bei der ersten Arie unangenehmer
auffiel als bei der zweiten. Es schien, als sei die Stimme mit der Partie
(noch?) überfordert.
Christian
ARMING zeigte im Graben, wie lebendig Mozarts Musik ist, ohne dabei jemals
die Sängerfreundlichkeit zu vernachlässigen. Seine Tempi und dynamischen
Abstufungen waren durchweg den jeweiligen Fähigkeiten und Wünschen der
Sänger angepaßt, ohne daß er das FRANKFURTER MUSEUMSORCHESTER zur bloßen
Begleitung herabwürdigte. Lediglich in der Ouvertüre hätten die Streicher
einen Hauch präziser sein können. Positiv fiel die sehr lebendige Begleitung
der Rezitative durch Hartmut KEIL am Hammerklavier auf, jegliche Trockenheit,
die dieser Begleitung häufig innewohnt, war verschwunden. Der CHOR machte
einen soliden Job. MK
P.S.:
Ein besonderes Lob ist demjenigen zu zollen, welcher die Fechtszene zwischen
Giovanni und dem Komtur choreographiert hat. Diese schien direkt aus einem
Errol Flynn/Basil Rathbone-Filmduell entnommen und wurde auf diesem Niveau
ausgeführt. Beeindruckend!
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