Die
1. Saisonpremiere findet traditionsgemäß immer in Winterthur (ca. ½ Stunde
von Zürich entfernt) statt. Viele eher unbekannte Werke wurden hier schon
aufgeführt, so auch "Lucio Silla" von Johann Christian Bach. 1998 hatte
das Opernhaus zum 10. Todestag von Jean-Pierre Ponnelle dessen Inszenierung
von Mozarts "Lucio Silla" wieder ausgegraben; dieses Toga-Epos wirkte
aber sehr veraltet und wurde gleich wieder (und wohl definitiv) eingemottet.
Mozart
schätzte Johann Christian Bach, den jüngsten Sohn von Johann Sebastian,
sehr - fast so sehr, wie er Haydn verehrte. Erstaunlich daher, daß dieser
Johann Christian dem breiten Publikum doch eher unbekannt geblieben ist.
Für
mich war es eine sehr positive Begegnung mit seiner Oper. Zu keiner Zeit
kam Langeweile auf, auch wenn sie halt typisch opera seria ist (Rezitativ-Arie-Rezitativ
usw.) Sie besitzt aber Tiefgang und Schönheit, klingt spannungsvoll und
beschreibt die Seelenzustände der Figuren sehr genau. Manchmal gemahnt
sie an den jungen Mozart, der Choreinsatz im 1. Akt kommt einem Oratorium
gleich.
Die
Inszenierung von Dieter KAEGI vermochte mich nicht vom Hocker zu reißen.
Während der Ouvertüre treten die Protagonisten vor einen roten Vorhang,
auf dem ihre Namen und ihre nähere Bezeichnung steht. Dieser Vorhang kommt
immer wieder herunter, wenn die Bühne umgebaut wird, oder wenn dem Regisseur
nichts besseres eingefallen ist (meine Empfindung!). Dann wird munter
vor diesem Vorhang gesungen. Ansonsten war das Bühnenbild von Bruno SCHWENGL
sehr ästhetisch und eindrücklich. Die Kombination Jetzt-Zeit mit Requisiten
aus der Römerzeit stimmte für mich nicht immer, störte mich aber auch
nicht weiter.
Dafür
entschädigte die musikalische Seite vollends (und das ist das Wichtigste).
Wie mir allerdings die Inszenierung bei schwachen Sängern gefallen hätte,
bleibe dahingestellt.
Allen
voran überzeugte der junge Schweizer Tenor Bernard RICHTER als schmieriger,
unbarmherziger, bisweilen larmoyanter, schlußendlich verzeihender Tyrann
Lucio Silla. Sowohl vom Darstellerischen wie von der Ausstrahlung als
auch vom Sängerischen her ließ er keine Wünsche offen. Die von ihm begehrte
Giunia (Julia KLEITER), welche sich jedoch standhaft weigert, ihm nachzugeben
und lieber den Tod mit ihrem Geliebten Cecilio auf sich nimmt, war etwas
gar matronenhaft gezeichnet, aber rührte mit schönem Timbre und geschmeidiger
Phrasierung.
Sen
GUO hatte es in ihrer Hosenrolle als Cecilio optisch nicht ganz leicht
zu bestehen, ist sie doch ein sehr zierliches Persönchen. Aber sie machte
dies zunehmend wett mit ihrem schön geführten Sopran. Komisches gibt es
beim Paar Celia (Schwester von Lucio Silla) und Lucio Cinna (sie will
ihn, er sie eher nicht). Sandra TRATTNIGG besitzt dazu den nötigen Schalk
und das Format für die großen Arien, Ruben DROLE braucht noch etwas Feinschliff,
um seinen manchmal noch etwas ungestümen Bariton zu zähmen.
Der
ZUSATZCHOR DER OPER ZÜRICH brillierte mit vorzüglicher Diktion und Genauigkeit.
Theodor
GUSCHLBAUER und das feinfühlig musizierende ORCHESTER MUSIKKOLLEGIUM WINTERTHUR
vermochten es, mich für Johann Christian Bachs Musik zu begeistern. Chantal
Steiner
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