Okay,
vielleicht war die Idee, nach Leipzig zu fahren, nur um sich einen als
Wagnertenor bekannten Amerikaner in einer italienischen Oper über einen
französischen Revolutionär anzuhören, etwas verrückt. Andererseits haben
wir auch schon ganz andere Sachen gemacht – und es hat sich gelohnt.
Robert
Dean SMITH gelingt ohne Schwierigkeiten, sich über das Schubladendenken
hinwegzusetzen. Hört man sonst bei Sängern, die im Wagnerfach reüssieren,
einfach an der Phrasierung, daß sie in der italienischen Oper nicht zuhause
sind, hatte man hier einen wirklichen italienischen spinto-Tenor vor sich.
Die Stimme ist groß, wird aber so geführt, daß dies an den zahlreichen
lyrischeren Stellen nicht unangenehm wird. Das Timbre ist außergewöhnlich
warm. Man merkt jederzeit, daß Smith weiß, was er singt, und die italienische
Sprache sehr gut beherrscht.
Mittlerweile
erlebt man in einer konzertanten Aufführung selten jemanden, der soviel
Freude an seinem Beruf als Sänger ausstrahlt und ohne besonderes Feedback
durch die meisten seiner Kollegen den gesamten Abend hindurch seine Rolle
auch spielt.
Smith
war Poet, Liebhaber und Revolutionär.
Adina
NITESCU konnte da als Maddalena nicht mithalten. Eigentlich mit einer
nicht uninteressant timbrierten Stimme ausgestattet, war das Volumen teilweise
nicht groß genug. Es fehlte an der Leidenschaft, die ihr Partner so im
Übermaß verströmte, auch spielte sie kaum.
Fraglich
bleibt, wie jemand auf die Idee verfallen konnte, die Rolle des Carlo
Gerard Phillippe ROUILLON anzuvertrauen. Man vermißte jegliche Form von
Gesangskultur, denn eigentlich brüllte der Sänger sich durch den Abend.
„Nemico della patria“ war hier nur der traurige Tiefpunkt, allerdings
ein besonders schmerzlicher, ist diese Arie doch eigentlich ein besonderes
Juwel baritonaler Sangeskunst.
Star
von den Nebenrollen war Jochen KUPFER als Mathieu. Spielfreudig und klug
phrasiert machte er alles aus der eigentlich nicht sonderlich großen Rolle.
Auf ähnlich hohem Niveau war Rosemarie LANG als Gräfin de Coigny. Welch
ein Luxus!
Baßtechnisch
gesehen, war dies ein besonders schöner Abend. Gun-Wook LEE (Fouquier-Tinville),
Hanns-Jürgen ANDER-DONATH (Dumas), Matthias HOFFMANN (Schmidt), Wolfram
LANGNER (Haushofmeister) und Jao-Hyong KIM (Fléville) waren allesamt exzellent.
Sollte das eine oder andere Theater eine diesbezügliche Vakanz haben,
sei empfohlen, hier schnellstmöglich zuzugreifen, zumal die Herren derzeit
alle zum MDR Rundfunkchor gehören.
Leider
fiel der Roucher von Arnaud ROUILLON hier merklich ab. Wortdeutlichkeit
und Phrasierung ließen sehr zu wünschen übrig.
Xavier
ROUILLON als Incroyable gab sich mit seinen nur 21 oder 22 Jahren hier
wesentlich besser. Neben einem schönen, wenn auch – noch – etwas kleinen
Tenor verfügt er über einen ausgeprägten Sinn zum Spiel. Ähnlich gutes
kann man über Kristian SØRENSEN (Abate) berichten.
Es
gibt Künstler, die man aus der Vergangenheit gut kennt, und man sich trotzdem
kein Wiederhören wünscht. Für uns gehören Ute WALTHER, aber auch Ulrike
HELZEL dazu. Erstere versuchte sich an der kleinen Rolle der Madelon und
schaffte es aufgrund des aus den Fugen geratenen Gesangs auch hier ein
Störfaktor zu sein. Letztere sang zwar besser, hat aber immer noch nicht
gelernt, ihr affektiertes Verhalten auf der Bühne der Rolle (hier: Bersi)
unterzuordnen.
Fabio
Luisi, der ursprüngliche Dirigent des Abend, hatte krankheitsbedingt absagen
müssen, doch Günter NEUHOLD leitete die Aufführung sehr engagiert und
überaus kompetent. Mit klarer Zeichengebung, viel Liebe zur Musik und
ungeahntem Brio blieb er immer sängerfreundlich, obgleich diese hinter
dem Orchester standen.
Das
MDR SINFONIEORCHESTER ist ein großartiger Klangkörper. Man glaubte kaum,
wie problemlos ein Orchester, welches nicht dauernd Oper spielt, sich
in die Klangwelten von Giordano einfühlen konnte. Auch der MDR RUNDFUNKCHOR
(Leitung Howard ARMAN) überzeugte nicht nur durch seine oben genannten
Solisten, sondern auch als Kollektiv. AHS/MK
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