Beinahe
wähnte man sich in Bayreuth. Ein runder Saal, unbequeme, harte Holzsitze,
Unmengen von dozierenden Wagnerianer vor, neben und hinter einem und die
überall per Getuschel verbreitete, angebliche Anwesenheit von Wolfgang
Wagner (Er war tatsächlich da – inkl. „Wotan's voice“...).
Leider
läßt die Akustik des Kuppelsaals des Hannover Congress Centrum zu wünschen
übrig, und es ist außerdem schwer, seinen auf der Karte genannten Platz
zu finden, so man sich nicht auskennt. Sogar für Einheimische.
Der
Dirigent Eiji OUE wird in diesem Jahr, so war u.a. dem Getuschel zu entnehmen,
die neue Marthaler-Produktion von „Tristan und Isolde“ dirigieren. Fraglich,
was ihn dafür qualifiziert. Das, was er an diesem Abend leistete, war
mehr als dürftig. Keine Ahnung, wer einmal behauptete, daß Auswendigdirigieren
nur Show wäre, in diesem Fall hätte er Recht gehabt.
Oue
lieferte mit seinem Auf- und Abhüpfen eher einen Beitrag zum Breitensport
(keine Ahnung, wann er eigentlich einen Einsatz gab). Das NDR-RADIOPHILHARMONIE
stemmte sich im Dienst der Kunst dem entgegen und bemühte sich mittels
Eigenkoordination um eine angemessene Wagnerinterpretation, was meist
gelang. Allein die Hörner hatten einen rabenschwarzen Tag mit etlichen
nicht partiturkonformen Tönen.
Trotz
der orchestralen Bemühungen klang einiges besonders im ersten Teil sehr
surrealistisch. Man spielte laut Programm „Tannhäuser“-Ouvertüre und Venusberg-Bacchanale.
Aufgrund der bereits genannten Schwierigkeiten, die vom Mann am Pult verursacht
wurden, gerieten insbesondere im Bacchanale die Instrumentengruppen immer
wieder auseinander, so daß man als Zuhörer irgendwann den Überblick verlor
und ganz überrascht war, als die Musiker ihr Spiel beendeten.
Im
zweiten Teil, dem 1. Akt „Walküre“, trat dieses Koordinationsproblem etwas
in den Hintergrund. Dafür haute Oue derartig auf das Orchester, daß es
zeitweise schwierig wurde, die vorne auf dem Podium plazierten Sänger
zu hören. Wie leicht hätte dieser Teil des Abends zu einer Brüllorgie
verkommen können, doch die Sänger ließen sich dazu nicht verleiten. Überaus
ungünstig war allerdings, daß Siegmund und Sieglinde durch den Dirigenten
getrennt zu stehen hatten. Irgendeine Form von Spiel konnte so nicht zustande
kommen.
Lioba
BRAUN als Sieglinde blieb ausgesprochen unauffällig und unpersönlich.
Da war nichts zu spüren von einer Frau, die sich auf den ersten Blick
so heftig in einen Mann verliebt, daß alles andere gleichgültig wird.
Da jedoch auch keine Spur von einer unterdrückten Kreatur zu erkennen
war, verzichtete die Sängerin wohl einfach auf eine Interpretation der
Rolle. Stimmlich hatte sie auch nicht allzuviel zu bieten, klang meist
angestrengt bzw. unmotiviert.
Schade,
denn Siegmund hätte ihr alle Gelegenheit für eine leidenschaftliche Interpretation
geboten. Jorma SILVASTI sang und spielte voll Enthusiasmus. Seine Stimme
ist groß und wird sicher geführt. Gleichzeitig besitzt sie einen ausgesprochen
schönen Klang, weit ab von tenoralen Gebrüll. Die „Winterstürme“ hatten
beinahe Liedcharakter, so sorgfältig waren sie phrasiert. Man vergaß den
schmucklosen Konzertsaal und die unbequemen Stühle.
Unbedingt
hervorzuheben ist ebenso, daß man jedes Wort Siegmunds verstehen konnte,
mochte der Text auch noch so absurd sein.
Hans
SOTIN störte in seiner Suche nach einer Gesangslinie und Wortdeutlichkeit
als Hunding wenig. Für einen sich gehörnt wähnenden Ehemann, der seinen
Erzfeind in seinem eigenen Haus beherbergt, bliebt er viel zu blaß. MK/AHS
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