FLUCHT
… was tut ein Wiener im Sommer, wenn die Opernhäuser geschlossen sind
? Er flieht zu einem der vielen Sommerfestivals. Nachdem es aber in Österreich
dero nicht genug gibt, muß man ins Nachbarland Deutschland ausweichen,
und so landete ich in Bad Wildbad und Rossini.
Allerdings
muß schon gesagt werden, der Kick in diesem Fall war, daß der von mir
sehr geschätzte Tenor Raùl GIMÉNEZ innerhalb einer zehntägigen Master
Class einer beachtlichen Gruppe von jungen Sängern Belcanto vermitteln
wollte, und dies auch mit Erfolg schaffte. Es besteht die Möglichkeit
diesen Unterrichtsstunden beizuwohnen (allerdings nur gegen Bezahlung
von 10 Euro für die Tageskarte, 6 Euro für halbtags, was ich leicht überhöht
fand).
Raùl
Giménez, der ja bekannt für seinen außerordentlichen gepflegten Gesangstil
ist, hat diesen auch mit viel Einsatz an die Teilnehmer vermittelt. Neben
einer Gruppe europäischer Teilnehmer, gab es auch solche aus Südamerika
und eine große Gruppe aus China und eine Japanerin.
Von
allen kam viel Engagement und Eifer. Wie auch schon die Jahre zuvor gab
es einen Abschlußabend, bei welchem drei Preise vergeben wurden. Das Niveau
unter den TeilnehmerInnen war sehr unterschiedlich, zumal einige sich
noch voll in Ausbildung befanden, andere bereits mehrmals an dieser Master
Class teilgenommen hatten, und wieder andere bereits einige Bühnenerfahrung
aufweisen konnten. Auch altersmäßig gab es starke Unterschiede, so dürfte
die jüngste Teilnehmerin 18 gewesen sein, der Älteste jedoch schon einiges
über 30.
Raul
Giménez hat mit sehr viel Geduld mit den Teilnehmern gearbeitet, und wenn
es mehrere Sänger gäbe, die laufend solche Kurse abhalten würden, könnte
der Sängernachwuchs weit besser, sicherer auf der Bühne bestehen.
Ein
interessantes Phänomen hat sich auch hier wieder gezeigt: Die meisten
Teilnehmerinnen waren Soprane, gefolgt, aber mit großem Abstand von Tenören.
Von den tiefen Stimmen gab es nur einen Bariton, einen Baß, einen Mezzo.
Es gab durchaus interessante Stimmen und den einen und anderen Namen kann
man sicher schon in nächster Zeit auf einem Besetzungszettel lesen.
Neben
diesem Informationsfaktor gab es den Abschlußabend des Belcantokurses.
Und natürlich auch Rossini-Aufführungen. Ich hatte noch Gelegenheit an
der letzten Aufführung von „L’occasione fa il ladro“ teilzunehmen. Und
es war ein äußerst gelungener Abend, spritzig und mit viel Witz inszeniert,
absolut gut gesungen von lauter jungen, unverbrauchten Talenten.
Auf
der kleinen Bühne des Theaters muß man natürlich mit sehr wenig Requisiten
auskommen, und da waren der Regisseur Thorsten KREISSIG und sein Bühnenbildner
Matthias MÜLLER sehr erfindungsreich. Ich bin jetzt schon meist von solchen
Inszenierungen weit mehr angetan, als von jenen an den großen Häusern,
wo große Bühnen verstümmelt, eingeengt und/oder überladen werden. Hier
ist alles frei von Eigenartigkeiten, einfach aber doch mit dem erforderlichen
Witz ausgestattet. Wenige Requisiten und doch wird viel erreicht.
Die
wirklich jungen Sänger, die am Beginn einer hoffentlich guten Karriere
stehen, waren sehr engagiert und boten sehr gute Leistungen. Besonders
hervorgestochen ist der junge Tenor Gunnar GUNNARSON aus Island, der den
Grafen Alberto mit einem sehr angenehmen Timbre und gut geführter Stimme
sang. Aber auch sein Widersacher, der Bariton von Gianpiero RUGGERI, als
Don Parmione ließ aufhören.
Der
Sopran Elisaveta MARTIROSYAN brachte sehr saubere Koloraturen, hat aber
leider eine etwas schrille Stimme, die nicht besonders angenehm klingt.
Das mag in einem größeren Haus weniger auffallen, bzw. nicht so unangenehm
sein. Ihre Zofe Ernestine (Faime ANTONELOU) konnte mit ihrem angenehm
timbrierten Mezzo besser gefallen.
Dirigent
war Antonio FOGLIANI, 29 Jahre jung, seit 1999 aktiv, bewies, daß er sehr
viel von Zusammenführung von Orchester und Stimmen hält und versteht.
Der
Abend war höchst amüsant gestaltet und musikalisch sehr gelungen, was
man an größeren Häusern oft vermißt.
Bleibt
nur zu wünschen, daß die hoffnungsvollen Sänger auch wirklich in dem Beruf
entsprechend Fuß fassen können, und man sie alle in den nächsten Jahren
auch an großen Bühnen erleben wird können. EH
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