Woran
erkennt man, daß ein Potsdamer oder Wiener vor dem Kieler Schloß steht?
An den weit aufgerissenen Augen und den bebenden sich langsam zu einem
„Blasphemie“-Schrei formenden Lippen. Nein, mal im Ernst, mit einem Schloß
hat dieses Gebäude herzlich wenig zu tun. Würde es nicht dran stehen,
hätte man es glatt für ein kleines Gerichtsgebäude o.ä. halten mögen.
Auch der angrenzende Konzertsaal ist eine Beleidigung für alle Liebhaber
guter Architektur. Von innen ist er eine sehr schlechte Kopie des großen
Saals des CCH (Congresscentrum Hamburg), nur mit Orchesterrang.
Aber
das Konzert entschädigte für so einiges. Zwar wurde das Dirigat von Gabor
ÖTVÖS am Pult der NDR RADIOPHILHARMONIE zunehmend langweiliger, kulminierend
in dem furchtbar schleppenden, öden, uninspirierten und unidiomatischen
Walküren-„Trab“ (Kiel ist arm, da reicht das Geld halt nur für getunte
Esel...). Auch eine Sängerbegleitung fand kaum statt.
Trotzdem
kein geringerer als Peter SEIFFERT mit seiner Gattin Petra-Maria SCHNITZER
sang, blieb das Konzert zu ca. einem Drittel leer. Die, die weg blieben,
haben jedoch was verpaßt. Die jugendlich-dramatische Sopranistin begann
nach dem „Meistersinger“-Vorspiel mit einem inspirierten „Dich teure Halle“,
wo sie mit schönen Piani, aber auch der nötigen Power bestach.
Musikalisch
nicht passen wollte die danach gegebene Gralserzählung, in der der sympathische
Schnauzbart mir einmal mehr zeigte, warum ich ihn in dieser Rolle zu meinen
Lieblingen zähle. Sein wundervolles Timbre und überhaupt der ganze Vortrag
sind einfach zum Dahinschmelzen. Schade, daß er nicht auch den zweiten
Teil der Gralserzählung sang. Nicht ganz glücklich werde ich mit seinen
hohen Tönen im forte, die mir zu „heldentenoral“ sind. Sie klingen zwar
niemals forciert oder gar häßlich, aber sind mir dennoch zu aufgesetzt,
was aber auch sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass er rein von
der Stimme her ja eigentlich eher ein Mozart-Tenor ist, der eben die notwendigen
Eigenschaften für das schwere Fach mitbringt.
Daher
dürfte der „Tannhäuser“ für ihn derzeit noch eine Grenzpartie darstellen
– aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren, würde aber dennoch
sagen, daß er es erst mal bei dieser Rolle belassen sollte und sich nicht
etwa in Siegfried- oder Tristan-Regionen begeben sollte. Ein wenig störte
allerdings sein gelegentlich zu starkes Vibrato und das Kopfwackeln. Im
„O Fürstin“ allerdings zeigte er keine Schwächen, sondern sang sehr schön
und beseelt, ebenso wie Schnitzer.
Im
zweiten Teil fiel das Dirigat dann noch mehr ab. Ich hatte immer das Gefühl,
daß Ötvös seinen Stiefel durchzieht, und keine Rücksicht auf die Sänger
nimmt, was sich bei Schnitzer in ab und zu nervösem Gebahren zeigte. Dramaturgisch
gefiel mir der zweite Teil hingegen sehr gut: Nach dem Vorspiel zum 3.
Aufzug aus „Lohengrin“ ging es gleich mit der Brautgemachszene weiter
und zwar mit der kompletten. Da fand ich Seifferts Gemahlin anfangs nicht
so gut, sie steigerte aber. Nach erwähntem Walküren-„Trab“ hörte man dann
„Ein Schwert verhieß mir der Vater“ aus der Walküre, wo der Tenor mit
geschätzten mehr als 10-sekündigen „Wälse“-Rufen (wie erwähnt für meine
Verhältnisse zu stark) imponierte und den Rest des ersten Aufzugs, in
dem Schnitzer jedoch ein wenig die Dramatik vermissen ließ. Außerdem hatte
sie so Problemchen mit den „sch“- und „ch“-Lauten.
Insbesondere
über den „Lohengrin“ las man im betreffenden Programmheftartikel von Swantje
Gostomzyk äußerst kuriose Ausführungen: So sei „die historische Wirklichkeit
des 10. Jahrhunderts [...] bei Wagner der Sehnsuchtsort des gottgesandten
Ritters“. Häää??? Lohengrin lebt nun mal in der Zeit, in der das ganze
sich abspielt! Weiterhin sei das Frageverbot von Lohengrin verhängt worden,
um nicht angebetet, sondern geliebt zu werden. Das stimmt so nicht! Es
ist vielmehr eine Regel der „Gralsbruderschaft“, die besagt, daß wenn
ein Ritter erkannt wurde, er von dannen ziehen muß und er bei Zuwiderhandlung
seiner Manneskraft beraubt würde (was auch immer der große „Alliterat“
Wagner uns damit sagen wollte...). Und daß Elsas Liebe sich gerade im
Interesse an seinem Namen und seiner Herkunft äußern würde, ist für mich
auch nicht nachvollziehbar. Sie will doch verständlicherweise nur wissen,
wer das den ist, der geradewegs von einem Schwan gezogen ankam, den sie
da gerade geheiratet hat, mit dem sie das erste Mal nun allein und kurz
davor ist, mit ihm den Beischlaf zu vollziehen – nun ja, in der heutigen
Zeit ist das vielleicht nicht unrealistisch (das mit dem Schwan wohl schon),
aber im 10. Jahrhundert???
Naja,
es war trotzdem ein schöner Abend – und meine Bahn habe ich auch noch
gekriegt... WFS
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