Eine
der doch eher seltenen Aufführungen des „Trittico“ in seiner Originalgestalt
konnte man gestern zum letzten Mal in dieser Saison in Graz erleben. Die
Inszenierung von Robert TANNENBAUM, die von der nun bereits von Graz geschiedene
Intendantin Karen Stone beim Badischen Staatstheater Karlsruhe eingekauft
worden war, zerfällt stilistisch in zwei Hälften: „Il tabarro“ und „Suor
Angelica“ geraten zu statisch, „Gianni Schicchi hingegen sprüht vor Lebendigkeit.
Das
Einheitsbühnenbild von Peter WERNER läßt zwar schnelle Umbauten zu – dementsprechend
gibt es auch nur eine Pause –, aber es paßt nur zu „Suor Angelica“ wirklich
gut. Besonders „Il tabarro wirkt sehr merkwürdig, da man sich unter einem
Seinekahn normalerweise etwas anderes vorstellt als einen weißen, leeren
Raum. Die Kostüme von Ute FRÜHLING hingegen waren größtenteils passend,
setzten jedenfalls besonders im ersten Teil mehr Akzente als das Bühnenbild.
Von
den Menschen, die am Boot ihrer Hoffnung, dem düsteren Schiffermilieu
doch noch zu entfliehen, nachgehen, geraten Frugola (Fran LUBAHN) und
Igor MOROZOVs Michele am eindringlichsten. Sein Monolog, bevor Luigi an
Bord kommt, war der berührendste Moment der ganzen Oper. Man konnte seine
Sehnsucht nach früher wirklich nachspüren; genauso wirkte auch der Wunsch
des Frettchens nach einem Haus am Land.
Juraj
HURNY ist ein stimmlich großartiger Luigi, obwohl sowohl vom Alter als
auch vom Aussehen für einen jugendlichen Liebhaber eher unpassend, er
schafft es sogar, das stellenweise etwas zu laut aufspielende GRAZER PHILHARMONISCHE
ORCHESTER unter Richard WIEN zu übertönen.
Bleibt
nur noch Giorgetta, die von Joanna KOZLOWSKA kreiert wurde. Sie war in
ihrem roten Kostüm wirklich hübsch anzusehen, leider neigt sie in der
Höhe zu übertriebenen Vibrato. Als sie in der Schlußszene wieder aufs
Deck kommt, und Michele ihr den Toten enthüllt, setzt sie sich neben ihn
und ergreift seine Hand – der einzige Glanzpunkt der Inszenierung.
Kommen
wir zur zweiten, leider merklich gekürzten Oper: Barbara DOBRZANSKA ist
eine exzellente Angelica, der mit Federica PROIETTI auch eine herausragende
Tante gegenüber steht. In ihrem Dialog wird selbst die Fürstin manchmal
weich, empfindlich, wenn sie von dem toten Sohn oder ihrer toten Schwester
redet, während Angelica mit aller Härte und Schärfe Auskunft fordert.
Die Nonnen unter ihrer Äbtissin Anna PORTIKA geben zwar eine solide Grundatmosphäre,
fallen aber nie wirklich auf. Das Orchester leuchtet hier in allen Farben,
so daß man meint, eine impressionistische Partitur vor sich zu haben.
Musikalisch ist dies bestimmt der Höhepunkt des Abends, die Regie aber,
die Angelica sogar die Marienvision vorenthält, wirkt eher weniger überzeugend.
Nach
der Pause schließlich das Herzstück der Inszenierung: Bevor noch die Musik
anfängt, geht bereits der Vorhang hoch, und man sieht eine Horde Italiener,
die sich rund ums Lager des im Sterben liegenden Buoso breitgemacht haben,
sich sonnen, Fußball schauen – bis schließlich der Alte seinen letzten
Schnaufer macht, die Musik einsetzt, und alle untersuchen, ob er auch
wirklich ganz tot ist.
Aus
dem Ensemble ragen Anna Portika als vettelige Zita, Melinda PARSONS’ Nella
als italianisierter Abklatsch einer schrillen amerikanischen Serien-Mum,
die fortwährend Spaghetti kocht, die niemand außer ihrem Ehemann Gherardo
(Martin FOURNIER) essen will, der pompöse Simone (Kostantin SFIRIS mit
profundem Baß) und Fran Lubahns Ciesca heraus.
Chefkomödiant
und auch stimmlich der Beste ist allerdings Gianni Schicchi, der von Marco
DI FELICE gespielt und gesungen wurde. Er ließ wirklich keine Wünsche
offen. Eher zu vergessen war hingegen das Liebespaar (Ann-Helen MOEN in
Sekretärinnen-Look und Andries CLOETE in weißem Anzug), das sich weder
stimmlich noch darstellerisch profilieren konnte; besonders Cloete als
Rinuccio war unpassend.
Fazit:
Eine der besten Aufführungen der Ära Stone. Hoffentlich gibt es in ein
paar Jahren eine Wiederaufnahme. Martin Michael Bauer
|