Klaus-Maria
GRÜBERs Amsterdamer Reise-Inszenierung des “Parsifal” ist nun nach einer
Kreuzfahrt durch halb Europa für sechs Vorstellungen in Straßburg und
zwei in Mühlhausen gelandet. Was bedeutet, daß die Inszenierung robust
und adaptierbar ist, wenngleich man nach wie vor einige ästhetische Bedenken
hat. Die Aufführungen waren vor sechs Jahren im Châtelet in Paris zu sehen
gewesen, und wir hatten damals einige Skrupel. Die Bühnenbilder des Malers
Gilles AILLAUD und die Kostüme von Moidele BICKEL sind nicht immer von
bestem Geschmack; aber wie man weiß, über Geschmack läßt sich nicht streiten.
Trotzdem ist der Zaubergarten des 2. Akts mit bunten, bizarren, Miró nachgefühlten,
abstrakten Formen nicht sonderlich inspirierend (aber welcher Regisseur
und Bühnenbildner hat schon was mit diesem Akt anfangen können?). Auch
die knallgrüne Aue des 3. Akts ist nicht das Wahre.
Der
schreckliche grasgrüne Pyjama Parsifals ist ebenso unschön wie der läppische
bordeauxrote Schlafrock Klingsors. Doch der Auftritt der Gralsritter in
Rüstungen (auf Rollwäglein) im letzten Akt ist sehr eindrucksvoll und
imponierend. Der riesige Tisch quer über die Bühne der Gralsszenen ist
auch gelungen, obwohl es nicht klar ist, weshalb der grell erleuchtete
Stein, der den Gral im 1. Akt darstellt, im letzten Akt nicht mehr da
ist. Konrad LINDENBERG sorgte für die richtige Beleuchtung. Und wenn man
schon einen glatzköpfigen Parsifal hat, wäre eine Perücke wirklich nicht
überflüssig. Auch ließ die Personenführung zu wünschen übrig, die Grüber
sichtlich seiner Assistentin Ellen HAMMER überlassen hatte.
Musikalisch
war die Aufführung von bester Qualität. Der österreichische Dirigent Günter
NEUHOLD, der mehr in Frankreich als in Österreich (oder Deutschland) zu
hören ist, ist dabei, sich als einer der besten Wagner-Dirigenten zu profilieren.
Er leitete das ORCHESTRE PHILHARMONIQUE DE STRASBOURG mit fester Hand,
absolut notwendig in dieser schweren Partitur, wo sehr viele rezitative
Szenen größte Transparenz verlangt. Das ist Neuhold bestens gelungen,
denn trotz einer gewissen Feierlichkeit, verfiel er niemals in eine bombastische
Orchesterflut. Die Steigerungen, besonders in den Chorszenen, waren sehr
eindrucksvoll. Der CHOEUR DE L’OPERA NATIONAL DU RHIN (Leitung Michel
CAPPERON) fiel durchs ein Präzision und Stimmgewalt auf.
Von
den Sängern ist nur Gutes zu berichten. Besonders eindrucksvoll war der
junge Baß Friedemann RÖHLIG als Gurnemanz. Er besitzt die richtige Stimme
für die Rolle, pracht- und machtvoll, eine perfekte Diktion und mit nicht
ganz zwei Meter, auch die nötige Bühnenpräsenz. Mit väterlicher Ruhe mahnte
er die Ritter und Parsifal. Die weitere Überraschung war die Kundry der
Amerikanerin Jeanne-Michèle CARBONNET, die wir bereits mehrmals in Paris
in Uraufführungen erlebt haben. Sie besitzt eine schöne, gut geführte,
kraftvolle Stimme, ist groß und spielt die Rolle mit größter Intensität.
In
der Titelrolle des “reinen Toren” war Frank VAN ALLEN zu hören. Er hat
vielleicht nicht ganz die Statur für den Parsifal, singt aber ausgezeichnet
und steht sehr brav herum (eine schreckliche Rolle, denn die halbe Zeit,
d.h. Stunden, ist der Sänger ja auf der Bühne ohne zu singen). Etwas enttäuschend
war Claudio OTELLI als Amfortas. Er spielt sehr ausdrucksvoll und intensiv,
singt auch völlig überzeugend, doch die Stimme trägt nicht genügend, vor
allem bei den Ausbrüchen bei der Gralsenthüllung. Mit seiner eher blöden
Armprothese mit einem Rad am Ende, ist er natürlich sehr behindert.
Tomas
MÖVES war ein hinterhältiger, gut singender Klingsor. Günther GROISSBÖCK
sang den Titurel sehr schön mit schwarzem Baß. Als Gralsritter waren Mario
MONTALBANO, Alexander KNOP, Fausto REINHART, Michel LECOMTE, Hye-Youn
LEE und Monica BRETT-CROWTHER rollendeckend. Die beiden letzteren waren
auch Blumenmädchen, zusammen mit Luanaa SIQUIERA, Fabiola José GONZALES
MORENO, Géraldine CHAVET und Karen Leonie LEIBER. Die jungen Sänger stammen
alle aus der Gruppe Jeunes Voix du Rhin, dem sehr aktiven Straßburger
Opernstudio.
Ein
sehr schöner und erfreulicher Abend von sehr hohem Niveau. wig.
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